Wer sein Heil in der Gruppe sucht, ist selber schuld
In den Berliner Sophiensälen: “Woran ich merke, was für ein Vieh ich bin” von TWO FISH und PATHOS transport theater
Mit einem langen Monolog von Martin Clausen lässt die Berliner Gruppe Two Fish ihre Produktion „Irre“ im HAU 3 ausklingen. Der junge Schauspieler plädiert für mehr Spaß, redet sich statt mit seinem Namen mit „lieber Mensch“ an, verheddert sich in pseudophilosophischen Auslassungen über die leuchtende Heiligkeit der Ohneleutewelt. Auch jedes abgeschnittene Scheibchen seines gefrorenen Meerschweinchens sei heilig. Eine rote Blume auf seinem Kopf zittert dazu bestätigend wie eine Gloriole. Ohne Kopfblume schließt er die Geschichte vom unglücklichen Kind an, das ihn gemalt habe und in eine Sprechblase sein Zitat schreibt: Nicht so einfach. Dann erlischt das Licht.
Clausen, der gemeinsam mit der Tänzerin Angela Schubot 2000 Two Fish ins Leben rief, formuliert in seinem letzten Satz wohl unbeabsichtigt das Resümee über das gesamte Stück: Es ist eben nicht so einfach, eine Sammlung kleiner absurder Texte in eine sinnreiche und zugleich unterhaltsame Inszenierung umzusetzen. Sie stellt auf völlig leerer Bühne vier Frauen und fünf Männer vor Entscheidungen mit ungewöhnlichem Ausgang. Da soll geheiratet werden und der Partner sagt Nein, da spielt man Nacktsein, etwas Finden, robbt und hechtet so ziel- und planlos über den Boden, wie man die Gesellschaft empfindet, in der wir leben. Da tauscht man sich länglich aus, was akzeptabel, ja normal sei: Sex mit Abhängigen oder HIV-Positiven, Tiere zu erschießen, aus Weltekel keine Kinder zu zeugen, Spaß mit Spießern zu haben. Die Wichtigkeit der Wichtigkeit gelte es anzunehmen.
Sinnfetzen, Phrasen und Floskeln untersuchen die Neun auf ihren realen Gehalt, spielen mit dem Wort, brechen tänzerisch aus, fragen bisweilen selbstkritisch, worum es sich eigentlich handelt. Sie stakeln wie Störche, hopsen als Hasen, zelebrieren Kranksein und Sterben, palavern darüber, dass Menschen in der Landwirtschaft schließlich auch zusammenarbeiten müssen – ob einander sympathisch oder nicht. Selbst die Monaden des Herrn Leibniz durchgeistern verbal den Raum.
Viel gute Absicht artikuliert sich in den Sprachattacken respektive Bewegungsexplosionen und noch mehr im Verunsichertsein Jugendlicher von einer unbegreiflichen Umgebung, in der nur Medienpräsenz zähle und es nicht würdelos sei, jemanden mies zu bezahlen. Manches hat durchaus Witz, so wenn Soli nach starkem Beginn im Unwesentlichen stranden, Menschen aneinander vorbei reden und ihre Isolation dadurch noch steigern. Dennoch verflattern zu viele Situationen, dominieren zu oft dramaturgische Ratlosigkeit und spielerischer Leerlauf, wo Einzelaktionen aufgenommen und sich zu Gruppenaussagen verdichten müssten. Löcherleitung mag in der Physik funktionieren, in der Kunst verursacht sie Spannungslosigkeit.
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