Gott hat mir gesagt: „Das musst du machen!“

Am Sonntag starb der große Pädagoge Alexander Prokofjew

München, 27/06/2007

Seine Körpersprache war suggestiv, seine oft nur aus einem Ruf, selten aus einem ganzen Satz bestehende Kritik bewirkte, ebenso wie seine Korrekturen, bei denen er Falsches und Richtiges kurz andeutete, minimale, doch entscheidende Verbesserungen. Flog ein Lob auf, fuhr das durch den Körper der angehenden Tänzer ins Bewusstsein, war wie ein Orden von Napoleon. Dabei war seine Stimme, vom Kommandoton geprägt, nicht nur die eines Diktators, sondern vor allem die eines rauen und zugleich fürsorglichen Lehrer, der um die psychischen Bedürfnisse seiner Schüler wusste, aber immer das Maximum an Energie aus ihnen herauslockte und sie dazu antrieb, in jeder Phase ihrer Bewegungen und Posen zu überzeugen. Alexander Prokofjew, am 25. Juni 1942 in Omsk geboren, starb am Sonntag, zwei Tage vor seinem 65. Geburtstag, in München, wo er die letzten elf Jahre an der Ballettakademie lehrte.

Talentsucher hatten ihn vom Folkloretanz an die Ballettschule des Bolschoi Theaters geholt. Sofort nach seiner neunjährigen Ausbildung tanzte Prokofjew als Solist in Novosibirsk, doch bereits nach fünf Jahren beendeten zwei Verletzungen seine Karriere als Tänzer. Zurückgekehrt nach Moskau, studierte er von 1966 bis 1969 am Institut für Pädagogik und Choreografie, war dann 20 Jahre lang Lehrer am Bolschoi-Ballett und zugleich international gefragter Gastdozent. Im Jahr 1989 gründete er die erste sowjetische private Ballettkompanie, die bis 1993 auftrat und als einzige ihr Programm sowohl im Kirov- als auch im Bolschoi Theater zeigen konnte. Als Konstanze Vernon beim Tanzwettbewerb in Moskau Christina McDermott betreute, lud sie Prokofjew als Gastlehrer ein. Nachdem er wiederholt für die Kompanie des Bayerischen Staatsballetts gearbeitet hatte, folgte er 1996 ihrem Ruf an die Münchner Ballettakademie.

Einmal im Westen, fand der bedeutende Pädagoge bei den Studenten der Heinz-Bosl-Stiftung den Platz, der für ihn am besten passte. Hier konnte er sich auf die klassische Ausbildung konzentrieren und den Respekt erwarten, den ihm in Russland auch die größten Tänzer entgegenbrachten. Alexander Prokofjew schätzte sich glücklich, für die Schönheit des Menschen in der Kunst zu arbeiten. Diese sah er auch in den Werken eines Michelangelo oder Rodin. Doch als höchste Kunst, nämlich als lebendig gewordene Skulptur, galt ihm das Ballett. Um jungen Menschen den Weg dahin zu weisen, sich jenseits der Technik organisch zu bewegen und das schöne Bild, das sich erst durch die alle Körperteile umfassende Koordination ergibt, mit der Ausstrahlung von Intelligenz und Charme zu beleben, verausgabte er seine Energie. Gefragt, woher denn all die Energie komme, wenn man immer gibt, sagte er einmal: „Ich glaube, Gott hat mir gesagt: Das musst du machen!“

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