Begeisternde Themen und Talente

Im Theater an der Parkaue zielt das Festival „Tanzhochdrei“ auf ein junges Publikum

Berlin, 26/09/2008

Die Verblüffung könnte größer kaum sein: 14 Kinder zwischen 6 und 13 tanzen zeitgenössisch mit einer solchen Hingabe, einer solchen Leichtigkeit und soviel Können, dass man seinen Augen nicht traut. Mit „Ulysse“ des französischen Choreografen Jean-Claude Gallotta begann im Theater an der Parkaue nicht nur der Berliner Teil von „Tanzhochdrei“, dem Internationalen Tanztheaterfestival für junges Publikum. Das anspruchsvolle Auftaktstück eröffnete gleichsam dem Tanz mit Kindern und für sie neue Perspektiven. Gallotta, einer der Hauptexponenten des in seinem Land so fest verwurzelten wie breit geförderten zeitgenössischen Tanzes, umspielt das Thema des griechisch antiken Kriegshelden und späten Heimkehrers Odysseus bereits seit 1981.

Damals entstand für seine Groupe Émile Dubois die choreografische Erstfassung. Sie wurde zum Klassiker und erlebte mehrere Adaptionen, etwa fürs Ballett der Pariser Oper und eben auch für die Groupe Grenade. Die ist in Aix und Marseille situiert, wird von Gallottas Ex-Solistin Josette Baiz geleitet und bietet Kindern ab sechs eine professionell orientierte Ausbildung – auf erstaunlichem Niveau. Anschwellendes Geräusch, das in eine vielfältig schwelgerische Komposition übergeht, verwickelt die jungen Darsteller aller Hautfarben in einen nicht konkret einer Geschichte verhafteten, eher assoziativen Tanzrausch. In neutral weißen Kostümen haben sie vor einer weißen, bisweilen in Bläue getauchten Leinwand nur ihre Körper, um sich auszudrücken. Mit Wort und Atemlaut absolvieren sie wunderbar präzis spielerische Formationen, Gänge und Wendungen, bewältigen Pendelbewegungen, Hebungen, sogar Pirouetten, gehen selbstverständlich mit Raum, Musik, Partner um. Rufe wie „Ulysse“, „Pénélope“, „Ménélaos“ gemahnen an die mythischen Figuren, ohne dass Rollen klar zugeordnet wären. Nach einer Stunde kehrt das Stück unter Sturmgebraus zur Anfangskonstellation zurück: Ein Mädchen verharrt im Ausfall, ein Junge, tänzerisch hochtalentiert, sieht ihr vom Boden her zu, als würde Odysseus aus der Ferne seine getreue Penelope beobachten.

Nach diesem überwältigenden Anfang und einem Gastspiel der Batsheva Dance Company aus Israel darf man dem Kooperationsprojekt zwischen Kultursekretariat NRW und Theater an der Parkaue soviel Erfolg prophezeien, wie es bereits in 14 Städten Nordrhein-Westfalens hatte. Zu den sieben Vorstellungen, die noch bis 30. September laufen, gehört auch das Doppelprogramm aus „Brass Fantasy“, einer live begleiteten Suche von 45 Schülern nach dem Geheimnis zwischen den Noten, und „Men at War“, Royston Maldooms Arbeit mit arbeitslosen Jugendlichen aus Hamburg – zu sinfonischer Musik. In einem akrobatischen Mix aus Breakdance und zeitgenössischem Tanz lässt Samir Akika aus NRW Jugendliche von ihren Träumen und Visionen erzählen, während die renommierte HipHop-Kompanie Membros aus dem Erdöl-Zentrm Macaé die Bedingungen in Brasiliens Gefängnissen untersucht. Drei fantasievolle Gastspiele aus den Niederlanden sowie zwei bewährte Berliner Produktionen runden ein Festival ab, das in Tanzlabors und Workshops auch das eigene Mitmachen anregt.

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