Das Ende aller Zuckungen
Das Cullberg-Ballett mit einer deutschen Erstaufführung
Das Cullberg-Ballett kommt - Ein Gespräch mit Johan Inger
Fünf Jahre lang leitete Johan Inger das berühmte Cullberg-Ballett in Stockholm, das an diesem Freitag mit seinem Stück „Point of Eclipse“ in Ludwigsburg gastiert. Ohne den schwedischen Choreografen allerdings. Inger hat gekündigt und kehrt zum Nederlands Dans Theater zurück, von wo aus ihm einst nach seinem Karrierestart als Tänzer beim Königlich Schwedischen Ballett der internationale Durchbruch gelungen war.
Redaktion: Herr Inger, was hat Sie vor fünf Jahren bewogen, die Leitung des Cullberg-Balletts anzunehmen, und warum beenden Sie Ihr Engagement schon nach so kurzer Zeit?
Johan Inger: Damals war das Ende meiner Tänzerkarriere nah, ich besaß inzwischen genug Selbstvertrauen, und die Situation am Nederlands Dans Theater (NDT) hatte sich so grundlegend verändert, dass ein Wechsel unausweichlich schien. Also nahm ich die Herausforderung an. Erst nach einer Reihe von Jahren wurde mir klar, dass das Cullberg-Ballett seiner Struktur nach zwar nicht zu den „großen“ Kompanien gehört, aber aufgrund seiner Geschichte doch eine „große“ Kompanie ist.
Redaktion: Sprechen Sie von Birgit Cullberg oder von Mats Ek?
Johan Inger: Von beiden. Das ist eine Familie. Ich habe einfach unterschätzt, wie stark das Cullberg-Ballett im Bewusstsein der Schweden verankert ist. Sie kennen das Ensemble und haben spezifische Vorstellung davon, was sein soll und was nicht sein darf. Das andere ist, dass ich nicht ahnen konnte, wie viel Einsatz die Leitung eines solchen Ensembles verlangt und wie viel Energie für meine eigentliche Leidenschaft verloren geht. Wenn ich kündige, heißt das nichts anderes, als dass ich mich für mich selbst entscheide.
Redaktion: Doch wie geht es mit dem Cullberg-Ballett weiter? Noch ist kein Nachfolger in Sicht.
Johan Inger: Ich kann dazu nichts sagen, ich bin nicht in den Findungsprozess involviert. Das Cullberg-Ballett ist Teil einer größeren Organisation, des Stockholmer Riksteater. Dessen Leitung entscheidet. Wer auch immer mein Nachfolger wird: Ich denke, die Arbeit wird ihm leichter fallen. Ich war derjenige, auf den alle nur eingedroschen haben: ein Sündenbock.
Redaktion: Sie waren in einer ähnlichen Lage wie Glen Tetley, der 1976 als Nachfolger von John Cranko in Stuttgart scheitern musste.
Johan Inger: Genau. Mein Nachfolger hat es leichter, weil inzwischen die Veränderungen greifen, die ich eingeleitet habe. Das Cullberg-Ballett kann nicht nur seiner eigenen Geschichte genügen. Die Kompanie muss in Bewegung gehalten, muss auf ihre Zukunft vorbereitet werden.
Redaktion: Sie haben mit vielen Kompanien gearbeitet, zuletzt auch in Dresden und Essen. Wo liegt Ihr künftiger Schwerpunkt?
Johan Inger: Auch 2009 werde ich für das Cullberg-Ballett wieder eine abendfüllende Kreation machen. Und von der kommenden Spielzeit an arbeite ich wie Crystal Pite als Associate Choreographer beim NDT und steuere im gleichen Programm mit Jirí Kylián und Lightfoot/Léon eine Uraufführung zur Eröffnung der 50-Jahr-Feierlichkeiten bei. Eine engere Beziehung ist mir wichtig, weil ich nicht immer wieder beim Nullpunkt anfangen will. Ich brauche die Kontinuität meiner künstlerischen Arbeit. Wie soll man sich sonst als Choreograf entwickeln? Deswegen bin ich ja auch zum Cullberg-Ballett gegangen: Ich wollte über einen längeren Zeitraum mit denselben Leuten arbeiten.
Redaktion: Eine Entwicklung, die sich an einem Werk wie „Point of Eclipse“ ablesen lässt.
Johan Inger: In letzter Zeit beschäftige ich mich viel mit Freiheit, und deshalb wirkt „Point of Eclipse“ zwar wie ein Stück von Cullberg, ist gleichzeitig aber auch ein Ausbruchsversuch. Ich beschäftige mich sehr mit Dynamik und Energie, Recherche und Atmosphäre. Und, ohne eine Geschichte zu erzählen, mit Sprache, meiner Sprache.
Redaktion: Wenn Sie aus der Distanz auf ältere Stücke schauen, sehen Sie Einflüsse von Mats Ek?
Johan Inger: Aber ja. Ich hatte damit nie ein Problem. Ich habe zwar kaum mit Ek gearbeitet, aber einige seiner Stücke gesehen. Möglicherweise teilen wir andere Verbindungen aufgrund der gemeinsamen Kultur und wegen Birgit. Sie hat ihren Sohn ebenso beeinflusst wie mich. Als ich als junger Mann zum ersten Mal Stücke von Mats Ek begegnet bin, konnte ich mich sofort mit ihnen identifizieren. Aber ich habe sie nicht in meinem Körper so wie die von Jirí Kylián.
Johan Ingers Ballett „Point of Eclipse“, das zur futuristischen Musik von DJ Jean-Louis Hutha getanzt wird, ist an diesem Freitag um 20 Uhr als deutsche Erstaufführung im Ludwigsburger Forum zu sehen.
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