Ein Fisch ohne Fahrrad ...

... aber mit Auto: Nicki Lisztas Tanzperformance „zwischen häuten“

Stuttgart, 26/05/2008

Es drohte mal wieder einer dieser kopflastigen Tanzabende zu werden, wo verschwurbelte Dramaturgenworte im Programmheft vorab versprechen, was das Bühnengeschehen nachher nicht halten kann: „Nicki Liszta untersucht das Beziehungs- und Regelgeflecht von realen Begegnungen in einer beobachteten Situation“. Wie bitte? Aber dann: ein Abend voll surrealem Witz, mit herrlich abstrusen Ideen und heftigem Körpereinsatz, frecher, origineller und einfach viel pinabauschiger als der Rest der freien Tanzszene Stuttgarts.

Mit „zwischen häuten“ trat im kleinen Rotebühltheater zum ersten Mal die junge Choreografin Nicki Liszta mit ihrer Produktionsgemeinschaft Backsteinhaus auf. Ihr einstündiges Tanztheater übersteigert reale Situationen ins Abstruse und wirkt bei aller Absurdität spontan, geerdet, lakonisch und echt. Drei leicht genervte Strandnixen sitzen auf Eimern und halten uns selbstbewusst Plakate mit ihren Gedanken entgegen. Sie entpuppen sich als ziemlich fiese Gören, die einander nicht nur durch üble Nachreden fertig machen, sondern sich an den Haaren auf dem Boden herumzerren oder geradezu kampfsportmäßig aufeinander losgehen. Ihre getanzten Zweikämpfe sind hart und dabei stark rhythmisch, vieles passiert auf dem Boden, wo die Mädchen sich in bedrohlichen Posen üben oder sich todesmutig übereinander werfen. Die abwechslungsreiche Live-Musik zwischen Free Jazz und karibischen Rhythmen stammt von der fetzigen Combo „the flohmarkttrio“. Das Stück bringt ständig neue Überraschungen und setzt immer noch eins drauf. Wir erleben Würgeversuche, Mobbing und gefakte Fruchtwasserstürze, wir werden angemacht und durch herausfordernde Posen oder Blicke ganz hemmungslos als Publikum benutzt. Eine der Frauen sitzt am gedeckten Tisch und wartet praktisch das gesamte Stück über auf ihren Gast, dabei vertreibt sie sich die Zeit, indem sie angeregt mit geräuchertem Fisch konversiert. Eine ertränkt sich hochdramatisch in ihrem Wassereimer und die letzte flüchtet, verfolgt von ihrer eigenen Kamera, aus dem Theater hinaus und die Treppen hinunter, wo sie schließlich mitten auf dem Rotebühlplatz von einem Fisch im Auto entführt wird. Auf dem selben Bildschirm, wo wir gereckten Kopfes diese surrealen Ereignisse beobachtet haben, läuft nun in friedlicher Ironie der Abspann des Abends, wie nach einem Fernsehkrimi. Vielleicht wird die freie Tanzszene der Stadt doch wieder spannend?

Links: www.nickiliszta.de / www.treffpunkt-rotebuehlplatz.de

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