Geballte Tanz-Power
„Uprising“ und „In Your Rooms“
Dass der Choreograf Hofesh Shechter Schlagzeuger war, bevor er zu tanzen begann, ist bei diesem Tanzabend im Schauspiel Köln unüberhörbar. Sein von Percussion dominierter Groove nimmt laut und heftig immer mehr Tempo auf. Unüberhörbar auch, dass Shechter mehr auf Rhythmus als auf Melodie setzt. Das setzt sich in seiner eigenwilligen Tanzsprache fort. Rhythmische Bewegungselemente verzahnen Musik und Tanz. Kleine und große Formationen jagen im gleichen Rhythmus zur dröhnenden Musik über die Bühne. Wenn sie in der Gruppe die Fäuste recken, sich wütend auf die Oberschenkel schlagen oder auf einem Bein hüpfend, das andere heftig von sich stoßen, dann wirkt das wie ein tanzender Protest. T
Tatsächlich ist schon „Uprising“, das erste Stück des Abends, ein unausgesprochen politisches Tanzstück. Eine Gruppe von sieben Männern erprobt sich wie eine Straßengang in kleinen Rangeleien, um im entscheidenden Moment zusammen zu stehen. Peergroup nennt die Soziologie dieses Phänomen im Sozialisierungsverhalten junger Leute. Der laute Schlag der Drums wirkt damit fast wie ein Aufschrei: Hört her, schaut her! Hofesh Shechter ist sicher auch deshalb zum Shootingstar der englischen Tanzszene geworden, weil er mit choreografischer Schärfe das Lebensgefühl seiner Generation in eine adäquate Ausdrucksform bringt. Seine Stücke führen die Lust am Leben, an der Bewegung und den Protest gegen neoliberale Kälte und soziale Hoffnungslosigkeit überzeugend zusammen.
„In Your Rooms“ wird Shechter noch deutlicher: Das Stück wirkt wie eine Warnung vor einer bedrohlichen Gesellschaftsform, die auch in das persönliche Leben eingreift. Hier stand wohl Orwells „1984“ Pate. Text- und Satzfetzen aus dem Off beschwören den Kosmos, werden akustisch überlagert und zerrissen von geradezu ekstatischem Tanz, der ständig Form und Tempo wechselt. Aus einer vorwiegend geduckten Körperhaltung, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, finden die Tänzer zu einem selbstbewussten Ausdruck mit gestrecktem Körper und aufwärts gerichteten Blicken. Die geniale Lichtregie der Spots und Seitenlichter von Lee Curan, die fast im Sekundentakt Einzelszenen von Duos, Trios oder Solisten aus dem Dunkel reißt, unterstützt Shechters choreografisches Konzept seines Blicks in reale Zimmer und unbewusste Seelenräume. Das Ensemble wurde dazu um vier weibliche Akteure verstärkt, die ihren männlichen Pendants in nichts nachstehen. Sie spenden Trost und Halt, besonders in der Schlussszene, die in zärtlicher Umarmung endet. Nach der physischen Verausgabung der Tänzer eine choreografische Geste, die an die einende Macht der Liebe zu erinnern scheint.
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