Zwischen Traum und Trance

Sankai Juku aus Japan eröffnet im Haus der Kulturen das Festival „In Transit“

Berlin, 12/06/2009

Sanfte Musik liegt über einer Szene der Ruhe. In schwarzem Raum bilden elf Wasserschalen von Metermaß auf spiegelglattem Sand ein Halbrund; aus vier birnenförmig hängenden Ballons tropft es sacht in die gefüllten Schalen. Wie fünf Embryos krümmen sich zum Aufschlagen der Tropfen kahlköpfige, geweißte Gestalten in orangefarbenen Lichtkreisen, während ein Stehender in engem Langgewand wie der Weltenschöpfer ins Universum langt, alles zu umarmen scheint. Als sich die Männer in ihren geknoteten Röcken aus grobem Stoff erheben, erkunden sie den Raum in unendlicher Langsamkeit und vollkommener Introversion.

„Hibiki“, Widerklang aus der Ferne, Ushio Amagatsus 2002 mit dem renommierten Laurence Olivier Award ausgezeichnete Choreografie, ist für Berlin die erste Begegnung mit Sankai Juku. Seit ihrer Gründung 1975 hat sich die Butoh-Kompanie in die erste Reihe getanzt und Gastspiele rund um den Globus absolviert. Globale Themen sind es auch, die Amagatsu gestaltet: die menschliche Existenz in ihrem begrenzten Sein, ihren Bewusstseinszuständen. Entrückt und der Zeit enthoben durchwandern in den sechs Stückteilen schamanistische Geistwesen staunend einen fremden Kosmos. Licht konturiert ihre Körper bisweilen scharfkantig, wie eingeklebt ins matte Dunkel des Raums wirken sie dann. Sparsam zeichenhaft und konzentriert sind ihre Bewegungen in nie endendem Fluss, der kaum ruckartige Momente kennt und in abgeklärt ritueller Stimmung Chiffren menschlicher Gefühlslagen erzeugt. Genau muss hinsehen, wer die Vorgänge mitvollziehen, Teil der Sinnsuche werden möchte.

Wenn zirpende, jaulende, knarzende Streicher, Klavierläufe, gar dräuend wabernder Synthesizer die Bewegungspriester antreiben, hinterlassen ihre Schleifschritte stäubende Spuren im Sand, und auch der Körperpuder wölkt dann auf. Eindrucksvollste Szene ist ein Solo, in dem Ushio Amagatsu am Platz verharrend und mit kaum unterbietbarer Entschleunigung Hand, Arm, Körper bewegt und jede Bewegung der anderen gleichwertig ist: reglos Gesicht und Augenlid, interesselos der Blick, dabei fast lauernd den Zuschauer im Auge. Rätselvollste Szene: ein Beschwörungsritual von vier Tänzern in rotgeschnürten Miederkleidern vor blutig gefärbtem Wasser. Nach Sprüngen mit Sturzlandung wie gescheiterte Flugversuche enden die Tänzer in der Embryolage des Beginns, richten sich zu Donner kurz auf.

Mit „Hibiki“ eröffnete das Haus der Kulturen der Welt würdig sein diesjähriges Performing Arts Festival. „In Transit 09“ bietet unter dem Motto „Widerstand des Objekts“ mit Künstlern aus vier Kontinenten Theater, Body-Art, Tanz, Performance, Video, Installation und Lectures, die alle „der feinen Linie zwischen Objektstatus und Subjektsein“, so Kurator André Lepecki, nachforschen. So beschäftigt sich das argentinische Puppentheater El Periférico de Objetos in schachtelartigem Raum mit Formen der Manipulation, präsentiert das amerikanisch-französische Doppel Allen S. Weiss und Michel Nedjar in „Danse macabre“ einen Totentanz mit Puppen aus Lumpen. In „Showpony“ stellt Trajal Harrell aus den USA Fashion Shows auf den Prüfstand, in „The Duet“ liefert sich die Spanierin Aitana Cordero leblos zwei Tanzpartnern aus, ein Szenario aus Gewalt und Unschuld zeigt Mapa Teatro aus Kolumbien. Der Performance „Gustavia“ von Mathilde Monnier & La Ribot folgen Gastspiele aus China, Südafrika und der Türkei.

Bis 21.6. im Haus der Kulturen der Welt 

www.hkw.de

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