„Sankai Juku“ aus Japan mit „Tobari – As if in an inexhaustible flux“ im Frankfurt LAB

Weiteres Gastspiel im Rahmen des „Cutting Edge Move“-Tanzfestivals

Frankfurt, 27/05/2011

Glatzköpfig und am ganzen Körper weiß gepudert, mit zumeist unbewegter Mine – so treten die acht Tänzer des Sankai-Juku-Ensembles aus Japan auf. Sie sind häufig nur mit einer Art Lendentuch bekleidet, die zwar kunstvoll drapiert, aber mit seiner hautähnlichen Farbe dennoch unauffällig sind. Nur in einer Szene gibt es dunkelfarbige Ganzkörperkleider, wenn es um das „Nachtblau“ geht. Die Musik klingt gar nicht japanisch, sie könnte ebenso gut von einem Komponisten des westlichen Kulturraums stammen. Es gibt kaum Rhythmen, alles fließt harmonisch vor sich hin oder es dröhnt bedrohlich. Die Lichtinszenierung ist geheimnisvoll und sparsam wie das gesamte Bühnenbild. Nur ferne Sternbilder sind zu sehen, auf schwarze Folie an der Rückwand oder auf dem Bühnenboden projiziert. Davor und darin stehen, schreiten, krümmen und kriechen die Butoh-Tänzer; im Gegensatz zum maskenhaften Gesicht immer mit sprechenden Armen, Händen und Fingern. Alles scheint stilisierte Geste: die Finger zeigen auf etwas, gespreizte Hände wollen etwas festhalten, geöffnete Arme etwas empfangen.

„Tobari – As if in an inexhaustible flux“ hatte vor drei Jahren Premiere im Theatre de la Ville in Paris und wird seitdem auf internationalen Bühnen gefeiert. So auch im Frankfurt LAB, wo „Sankai Juku“ im Rahmen des internationalen Cutting Edge Move-Tanzfestivals an zwei Abenden sehen war. Der Ende der 50er Jahre entwickelte Butoh-Tanz stand im Zeichen des anti-amerikanischen Protests, richtete sich aber auch gegen die starren Formen im klassischen japanischen Tanz. Der deutsche Ausdruckstanz der 1920er Jahre wurde befragt, ebenso Schamanenpraktiken und moderne Tanztechniken. So entwickelte sich eine eigene Ästhetik. Ushio Amagatsu, Gründer der Gruppe „Sankai Juku“ (1975), gehört zur zweiten Generation der Butoh-Tänzer. Sein persönliches Forschungsgebiet hat er in dem Buch „Im Dialog mit der Schwerkraft“ (2001) veröffentlicht. In einer Szene wird dies besonders anschaulich, wenn die kriechenden Tänzer immer wieder seitlich umkippen und es kaum schaffen, sich aufzurichten.

„Tobari“, der Titel des gezeigten Stücks, bezeichnet einen Vorhang, der einen Raum unterteilt oder es meint den Übergang zwischen Tag und Nacht. Und ähnlich wie der Tag in die Nacht, gehen die sieben Sequenzen fließend ineinander über. Wie auch die Bewegungen fließend sind, ob im Stehen, Liegen oder Kriechen. Einmal gegen Ende gibt es eine Soloszene, bei der mit Mimik menschliche Gefühle dargestellt werden - mit extremer Theaterpose, etwa mit weit aufgerissenem Mund zum Schreien.

Das Gesamtthema ist groß gefasst: Der ewige Kreislauf des Lebens von der Geburt bis zum Tod, vom traumähnlichen Zustand zur Bewusstwerdung des Menschen. Das mag sich nicht in jeder Szene erschließen, aber es bleiben großartige Eindrücke, auch weil das Stück konträr zu unseren Sehgewohnheiten ist. Alles ist im unendlichen Fluss der Energie. Und irgendwie verbunden mit dieser kosmischen Energie verlässt man die Vorstellung und nimmt etwas mit in den Alltag.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern