Die Gala!
Ursula Kaufmanns Fotoblog zur Gala des Deutschen Tanzpreises 2024
Vor zehn Jahren kreierte Sasha Waltz, damals noch an der Schaubühne Berlin engagiert, das eindrücklich-bedrückende Stück „Körper“, das bis heute in ihrem Repertoire steht. Die Choreografin stützte sich auf Elemente, die sie mit ihren damaligen Tänzerinnen und Tänzern für die Einweihung des Jüdischen Museums entwickelt hatte. Architekt war Daniel Libeskind.
Jetzt hat die Kompanie „Sasha Waltz and Guests“ in Zürich ein Werk zur Uraufführung gebracht, das ebenfalls auf Museumsarbeiten basiert. „Continu“ (frz. für „fortlaufend“) enthält Tanzelemente aus den Events zur Wiedereröffnung des im 19. Jahrhundert entstandenen Neuen Museums in Berlin Mitte, restauriert unter David Chipperfield, sowie dem von Zaha Hadid erbauten Zentrum für zeitgenössische Kunst Maxxi in Rom. Die sogenannten „Dialoge“ fanden im Oktober und November 2009 statt.
Im Gegensatz zu den zeitlich und räumlich flottierenden Museumsszenen ist „Continu“ ein fest gebautes Stück von knapp zwei Stunden Dauer, aufgeteilt in einen schwarzen und einen kürzeren weißen Teil. Das erste Bild, ebenso surreal wie plastisch, will einem nicht mehr aus dem Sinn gehen: Von unsichtbaren Drähten gehalten, schweben drei fast nackte Männer in der Luft. Wie in Zeitlupe bewegen sie ihre Körper, fügen sich in die Senk- oder Waagerechte. Wollen sie wie die ersten Menschen am sechsten Tag der Schöpfung auf die Erde niedersteigen? Oder sind sie in der Entwicklungsgeschichte schon weiter fortgeschritten, möchten wie Ikarus in den Himmel fliegen? Und werden sie dann in der Hitze zersengen? Nein, sie landen lebend auf der Erde. Nach langen tonlosen Minuten setzt endlich Musik ein (ab Tonträger).
Das wuchtige sinfonische Orchesterwerk „Arcana“ von Edgar Varèse stülpt sich wie eine Glocke über die Bühne. Weitere Kompositionen von Varèse sowie von Iannis Xenakis und Claude Vivier durchdringen die Atmosphäre. Dazwischen immer wieder Stille. Auf der Bühne tanzen Frauen und Männer in schwarzen, später weißen und sandfarbenen Hüllen. Sie bilden massive, oft verfeindete Gruppen. Daraus lösen sich kleinere Verbände, bis hin zu Duetten und Soli. Spannung liegt in der Luft, sie lässt sich fast sich mit Händen greifen.
Man könnte die Bühne im Fünfminutentakt fotografieren und jedes Mal die dynamischen Muster der Inszenierung bewundern. Trotz der geballten Kraft dieser Momentaufnahmen ist alles in Fluss. Auf nackten Füßen durchstreifen die Tänzerinnen und Tänzer die Schauplätze, lassen Arme und Finger flattern, stoßen Drohungen aus oder werden verfolgt. In einer Szene mäht ein Mann eine ganze Reihe von Feinden mit einer virtuellen Pistole nieder. Erst im zweiten Teil hellt sich die Atmosphäre auf.
Immer wieder steigen Assoziationen auf. Man fühlt sich an die archaische Wucht von Strawinskys Ballett „Sacre du Printemps“ erinnert. An Rituale indigener Völker. An Gestalten aus altaegyptischen Flachreliefs. An griechische Heldengeschichten, wie sie sich auf Tonvasen entfalten. An Deckengemälde und Plastiken von Michelangelo. Ein geradezu unheimlicher Sog geht von manchen Szenen und den Körpern der 24 Mitwirkenden aus. Die Bühne dagegen ist einfach gestaltet (Thomas Schenk, Sasha Waltz, Pia Maier Schriever). Glänzendes Schwarz umgibt den düsteren ersten Teil. Im klareren zweiten Teil liegt eine weisse Papyrusmatte auf dem Boden. Am Schluss schwingt sich diese in die Höhe und lässt die Tanzenden in alle Richtungen auseinander stieben. Dann ist Schluss.
Warum wählten die so prominenten „Sasha Waltz & Guests“ ausgerechnet Zürich für die Uraufführung von „Continu“? Dank einer Partnerschaft der Kompanie mit dem Schauspielhaus Zürich unter Barbara Frey. Diese war zwei Jahre lang an der Schaubühne Berlin als Regisseurin engagiert, während Waltz dem Leitungsteam angehörte. Die beiden Frauen sind einander freundschaftlich verbunden und teilen den Geburtsjahrgang 1963.
„Continu“ verwendet nur einen Bruchteil des reichlich vorhandenen „Dialoge“-Materials aus Berlin und Rom. Das Stück übernimmt eher Stimmungen als konkrete Tanzszenen. Waltz erklärte denn auch bei einer Medienkonferenz in Zürich, dass sie weitere „Continu“-Pläne mit sich herumtrage. Wir sind gespannt.
Weitere Aufführungen von „Continu“ im Schiffbau Zürich: 23.-26.Juni und 25.-27.November 2007
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