Septemberdans 2011 // 5 for Silver. Choreografie: Douglas Lee. Tänzer: Leyna Magbutay , Marco Pagetti und Lucas Lima
Septemberdans 2011 // 5 for Silver. Choreografie: Douglas Lee. Tänzer: Leyna Magbutay , Marco Pagetti und Lucas Lima

Drei Schwestern und jede Menge schwarzer Vögel

Septemberdans 2011 in Oslo: Neues von Andreas Heise, Ina Christel Johannessen und Douglas Lee

Oslo, 11/09/2011

Klein, aber fein: In Oslo ist der „Ballettaften i tre deler” nur viermal zu sehen. Aber dafür bringt Septemberdans das Ballettprogramm in Haugesund, Stord, Os, Sandnes, Lyngdal, Arendal, Larvik, Nøtterøy, Gjøvik und Drammen sozusagen unters Volk: eine Werbekampagne der besonderen Art, die dem Tanz auch in sozialen Randbezirken neue Zuschauerkreise erschließen soll. Klar, dass hier für Bühneneffekte kein Raum ist und sich die Besetzungen im Rahmen halten müssen. Andreas Heise kommt denn auch in „Souls‘ Complexion” mit vier Tänzern aus, während sich Ina Christel Johannessen und Douglas Lee auf fünf beschränken. Spiel- und Bewegungsmaterial gibt es ja zuhauf, und Stine Sjøgren (Kostüm) wie Paul Vidar Sæverang (Lichtdesign) schaffen auch ohne Materialschlacht ein Ambiente, das genügend Atmosphäre erzeugt.

Bei Andreas Heise dreht sich alles um einen Dreieckstisch, der sich in seiner Höhe verstellen, gelegentlich sogar bewegen lässt. Darüber gebeugt: die „Drei Schwestern”, die sich der Dresdner Palucca-Schüler zum Vorwurf genommen hat. Weit entfernt davon, das Tschechow-Stück wort- und schrittreich auszudeuten, entwickelt das ehemalige Ensemblemitglied des Leipziger Balletts eine Choreografie, der die langjährige Erfahrung mit Werken Uwe Scholz‘ allerdings anzusehen ist. Klassisch grundiert, aber keine Spitzenarbeit, weiß sich der Tanz immer in Einklang mit der Rachmaninow-Musik, die auch sein Lehrmeister unter dem Titel „Suite für zwei Klaviere, Nr. 2” interpretiert hat. Ob Zufall oder nicht, von einer Überprüfung durch „Andiplag” braucht Andreas Heise nichts zu befürchten: Bei aller Ähnlichkeit ist sein Werk gut genug, um als Eigenarbeit akzeptiert zu werden, und die Ausdrucksakzente setzt Heise so, dass sie sich von denen eines Uwe Scholz durchaus unterscheiden: Sobald mit Yoel Carreño ein Mann in ihre Blickfeld gerät, differenziert sich das Bewegungsprofil von Yolinda Correa, Ingrid Lorentzen und Stine Østvold. Aber kaum ist er wieder im Dunkel der Geschichte verschwunden, tanzen sie wieder im alten Trott – ganz so wie es ihnen Tschechow in seinem Drama vor-geschrieben hat.

Ina Christel Johannessen kennt man vor allem als Choreografin von zero visibility corp. und Carte Blanche, und genau das macht den Unterschied. Während dort die Tänzer und Tänzerinnen mit ihrer Arbeitsweise auf vertrautem Fuße stehen, scheinen ihre Kollegen vom Nasjonalballetten damit noch Schwierigkeiten haben. Zu ziellos ist das Stück, dem Johannessen Musik von Kreng und Kaboom Karavan unterlegt, und seine politische Aussage wird nicht so evident, wie man sich das angesichts der jüngsten Terroranschläge wünscht. Was als Eindruck bleibt, ist ein Zerstörungsdrang und eine Aggression, die jede Sehnsucht nach sozialer Gemeinsamkeit im Keim erstickt.

„5 for Silver” nennt Douglas Lee seinen Beitrag, und der Brite zitiert damit einen Nursery Rhyme, der sich bei ihm Zuhause größter Beliebtheit erfreut. Mit Aberglauben, noch dazu mit der diebischen Elster hat seine jüngste Uraufführung indes nur bedingt etwas zu tun, auch wenn sich auf der Bühne der Norske Opera & Ballett ein Haufen schwarzer Vögel findet. Wie immer liebt es Lee abstrakt, und deshalb wundert es nicht, dass er sein neuestes Stück als einen Ritus konzipiert, der wie der Aberglaube bestimmte Formen und Bewegungsmuster generiert.

So abwegig ist das nicht. Tatsächlich schafft es der ehemalige Solist des Stuttgarter Balletts, seiner Choreografie eine Dunkel-Dimension zu geben, die schon etwas Beängstigendes hat. Schwarz sind die Kostüme. Noch schwärzer scheint der Raum, und Sævarang säumt ihn mit einem Neonband, das den Nebel davor nicht wirklich erhellt. Drei Solisten sind im Dämmerschein zu sehen, dazu zwei Tänzerinnen, und alle fünf machen nicht den Eindruck, als wollten sie das Geheimnis unbedingt ergründen, von dem im erwähnten Kinderreim an siebter Stelle noch die Rede ist. Sie tanzen vielmehr so überaus komplex und konstruiert, wie das bei Douglas Lee die Regel ist, und doch wirkt seine Kreation verspielter, vielschichtiger als sonst – weniger virtuos vordergründig, was wohl auch an den Interpreten liegt. Weit breiten Leyna Magbutay und Maiko Nishino immer wieder ihre Arme aus, als wären’s Vogelschwingen. Manchmal meint man sogar, Douglas Lee hätte sich des „Vergessenen Lands” von Jiří Kylián erinnert – gewiss nicht das schlechteste Vorbild. Am Ende behauptet sich „5 for Silver” allerdings als ein ganz und gar eigener Wurf, der der minimalistischen Musik von Julia Kent etwas ebenso Skulpturales wie Spirituelles entgegensetzt.

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