Wie das Leben im Tanz variiert
Balanchine, Forsythe und Ek, „Thema und Variationen“ beim Semperoper Ballett in Dresden
„3 Farben Grün“ mit Balanchine, Ek und Forsythe in Dresden
Grün ist der Anfang, grün ist der Schluss, dazwischen eine so schwarzhumorige wie absurde Daseinsassoziation, das Semperoperballett zeigt sich gewandt in schönster Neoklassik und noch immer überzeugender gemäßigter Moderne. Grün überwiegt, das ist gut, das ist die Hoffnung.
Mit Balanchines „Smaragde“ hat die Dresdner Kompanie nun ihre Edelsteintrilogie komplett gemacht, ab August gehört sie zu den wenigen weltweit, die diese Juwelen der neueren Ballettgeschichte an einem Abend präsentieren werden. Jetzt also in Grün, im Originaldekor von Peter Harvey und in den Kostümen von Karsinka zur Musik von Gabriel Fauré, eine zart getupfte Elegie. Kein Auftrumpfen, keine Parade technischer Raffinessen, dafür bezaubernd schönes Schreiten der zehn Tänzerinnen des Corps de ballet, maßvoll geführte Eleganz der beiden Solopaare Yumiko Takeshima, Guy Albouy und Svetlana Gileva, Laurent Guilbaud. Fröhlicher und bewegter das Trio mit Arika Togawa, Anna Merkulova und Denis Vegini. Verblüffend der Schluss, nach wunderbar gesetztem Tableau knappes Innehalten und wie in verschwindender Traumsequenz berührende Abschiedsgesten der Solistengruppe.
Mats Ek hat seine nunmehr 16 Jahre alte Choreografie „Sie war schwarz“ einstudieren lassen und dann die Endproben selbst begleitet. Die Musik verbindet Henryk M. Góreckis zweites Streichquartett, das der gläubige Katholik der schwarzen Madonna von Tschenstochau gewidmet hat, mit den tief-schwarzen Gesängen traditioneller Musik aus Tuva. Als Motto dient ein Witz der 70er Jahre aus dem Umfeld des Feminismus und der Befreiungstheologie, demzufolge ein Mann behauptet Gott gesehen zu haben und auf die Frage wie der denn ausgesehen habe, antwortet „Sie war schwarz“. Das alles kann man, muss man aber nicht wissen, um dennoch stürmisch begeistert zu sein wie das Premierenpublikum über den so absurden wie schwarzen Humor, dem Mats Ek seine typischen Bewegungen verleiht in einer Einrichtung der auch nicht gerade hellen Bühne von Peter Freiij mit der Treppe, die nicht nach oben führt und dem Tisch, der als Bühne, Bett und Bahre funktionieren kann. Da sind ganz scharf umrissene Bilder, wie das der Frauen, die ihre total versteiften Kerle in waagerechter Haltung wie wandelnde Kreuze abschleppen. Da sind verzweifelte Versuche zueinander zu kommen ohne die körperlichen Anschlussstellen zu finden, als irrten noch immer Platons geteilte Kugelmenschen auf der Suche nach sich selbst durch emotionale Finsternisse.
Da sind zwei Paare, Ana Presta und Jiří Bubeníček zum einen, Anna Merkulova und Jón Vallejo zum anderen, die jeweils in schönster Einsamkeit zu zweit agieren können. Gleiches gilt für die so verstörend genau abgestimmt agierenden jungen Männer István Simon und Johannes Schmidt, zwei Frauen, Arika Togawa und Leslie Heylmann als Pendent und den Mann allein, Guy Albouy. In schwarzer Ganzkörperverhüllung bleibt Elena Vostrotina ein beeindruckendes geheimnisvolles Wesen. Raphaël Coumes-Marquet als Mann mit den roten Spitzenschuhen verbreitet kraft seiner hohen Haltung unberührbarer Einsamkeit und verstörend traurigem Gesichtsausdruck eines Pierrots eine solche Haltung konzentrierten Unglücks, wie man sie dermaßen überzeugend wahrhaft selten erleben darf.
Als eine Art der Korrespondenz zum Anfang des Abends kann man die Neufassung von William Forsythes „Artifact Suite“ sehen, stellt sie doch, wiederum vorwiegend in Grün, nur ohne Glitzer, neoklassischen Traditionen folgend, eine Solistin, zwei Solopaare dem großen, jetzt 43köpfigen Corps der ballet gegenüber. In der Gruppe die Zeichen, die Übernahmen der Signale, die Ordnung und das Chaos, bei den Solistinnen und Solisten vorwiegend Disziplin mit gelegentlichen Brechungen, vor allem fließenden Übergängen. Das lässt sich gut ansehen mit Vanja Vitman als „Other Person“ und in den beiden Pas de deux Elena Vostrotina und Oleg Klymyuk sowie Yumiko Tekeshima und Raphaël Coumes-Marquet. Auch hört man gern der Zuspielung von Bachs Chaconne aus der Partita Nr. 2 in d-Moll zu, muss aber feststellen, dass an der gewollt modernistischen Klaviermusik von Eva Crossman Hecht der Zahn der Zeit genagt hat, dass auch Forsythes Idee, mehrmals den Vorhang fallen zu lassen, während der Tanz ohne Zuschauer weiter geht, an Biss und Originalität verloren hat.
Indes der mit grüner Farbe ausreichend versehene Anspruch auf Hoffnung im Hinblick auf jeden weiteren Abend mit dieser so facettenreichen wie persönlichkeitsstarken Kompanie bleibt entscheidender Eindruck dieser mit viel Beifall aufgenommenen Premiere.
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