Die Zweiten so gut wie die Ersten

Gelungene Rollendebuts bei „Nijinsky Epilog“ beim Hamburg Ballett

Hamburg, 23/09/2012

Dass zweite Besetzungen oft nicht schlechter, sondern manchmal eher noch besser sind als die ersten, ist nichts Neues. Deshalb lohnt es sich durchaus, bei bestimmten Aufführungen zweimal hinzuschauen. So auch bei „Nijinsky Epilog“ in Hamburg, das am 16. September Premiere hatte. Da gab es einige Rollendebuts und auch das ein oder andere Wiedersehen. So tanzte zum Beispiel in „Le Pavillon d’Armide“ der erst 19-jährige Filipino Marcelino Libao erstmals das schwierige Solo des „Danse Siamoise“. Und das mit geschmeidiger Eleganz und verführerischer Laszivität, mit sauberer Technik und Musikalität. Für einen so jungen Tänzer ist das eine beachtliche Leistung und gibt zu schönster Hoffnung Anlass.

Alexandr Trusch glänzte als sprunggewaltiger Vaslaw Nijinsky im schwierigen Pas de Trois. Silvia Azzoni als Tamara Karsavina zeigte eine bestechende Linie und Präzision, gepaart mit feinster Musikalität. Auch Lucia Solari verlieh ihrem Part als Alexandra Baldina eine feine Noblesse. Alexandre Riabko, Hélène Bouchet und Leslie Heylmann hatten bei der Premiere die Latte bereits recht hoch gelegt, diese drei konnten da glatt mithalten – und Silvia Azzoni legte sie sogar noch ein gutes Stückchen höher.

Ein krasser Kontrast zu dieser lupenreinen Klassik: das „Sacre“ in John Neumeiers wuchtiger Interpretation. Hier stach Carsten Jung in männlichen Hauptrolle heraus, mit der großartigen Yuka Oishi als Partnerin. Was Edvin Revazov und Anna Laudere in der ersten Besetzung noch an Dramatik vermissen ließen (störend dabei auch die extrem langen Haare von Anna Laudere, die – wie bei allen Tänzerinnen in diesem Stück – offen getragen werden müssen) – hier war sie elementar spürbar.

Leslie Heylmann gestaltete das große Solo zum Abschluss. In dieser Partie kann die frisch gebackene Erste Solistin zeigen, dass sie nicht nur eine zuverlässige und technisch saubere Tänzerin für die großen Klassiker ist, sondern dass sie durchaus auch Dramatik entwickeln kann. Im Vergleich mit Patricia Tichy ist sie allerdings weniger explosiv und auch weniger impulsiv. Es ist spürbar, dass sie diese Rolle gründlich einstudiert und bereits mehrere Jahre in Dresden getanzt hat. Sie kennt den Part, sie weiß, was sie darin erwartet und was von ihr erwartet wird. Dieses Solo lebt aber auch von der brachialen Spontaneität, von dem alles niederwalzenden Entsetzen, das die junge Frau über dieses „Auserwähltsein“ packt, von der Zerstörungswut, dem Furor. Es wäre zu wünschen, dass Leslie Heylmann wieder etwas von dieser Eruptivität in sich findet, die dieses Solo braucht, um wirklich in die Tiefe zu gehen. Die zweite Besetzung ist noch einmal zu sehen am 23. September 2012.
 

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