Erste Schritte – fein gesetzt

Die Ballettschule des Hamburg Ballett zeigt ihr Können

Hamburg, 18/05/2012

Alle zwei Jahre ist auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper Kükenalarm: Insgesamt 152 Schülerinnen und Schüler zwischen 4 und 18 Jahren bevölkern an diesem Abend die Bühne – meistens in kleineren Gruppen zwar, aber doch eine Meisterleistung der Logistik – jedes Mal aufs Neue! Die BallettmeisterInnen leisten da immer wieder eine bewundernswerte Dompteursarbeit – denn es klappt tatsächlich alles wie am Schnürchen. Und wenn es doch irgendwo mal einen kleinen Stolperer gab, so hat den ganz sicher niemand bemerkt...

Den Anfang machten die Ausbildungsklassen I bis IV zum Napoleonmarsch von Johann Strauß Sohn, gefolgt vom Blumenwalzer aus Tschaikowskys „Der Nussknacker“ nach einer durch Kevin Haigen abgewandelten Choreografie von John Neumeier für die Theaterklassen VII und VIII sowie die Ausbildungsklasse VI. Beides eignete sich vorzüglich, um zu zeigen, dass diese SchülerInnen über eine solide klassische Ausbildung verfügen.

Danach waren dann die Kleinen dran – die Kinder der Vorschulklassen A, B und C. Das bedeutete: 71 kleine Hupfdohlen in roten, gelben und grünen Trikots, die nach einer ausgeklügelten Choreografie von Ann Drower zu afrikanischen Trommelrhythmen als Züglein über die Bühne „fahren“ durften, Lokomotivenpfiff inklusive. Das klingt einfach, ist aber – gerade in der Masse – verdammt kompliziert. Es erfordert ein gutes Rhythmusgefühl, Achtsamkeit für die gesamte Gruppe und vor allem ein gutes Gedächtnis für die Schrittfolgen – gar nicht einfach, wenn man erst fünf oder sechs Jahre alt ist! Alle haben das ganz großartig hingekriegt – und das Publikum hatte seinen Spaß!

Danach kamen dann die Großen mit einem Stück von John Neumeier aus 1991 zur Serenade von Antonin Dvorák: „Spring and Fall“ – eine wunderschöne Elegie auf das Kommen und Gehen, auf das Alleinsein und Zusammensein, auf Springen und Fallen, auf Spannung und Loslassen, auf Frühling und Herbst. In diesem Zusammenhang muss man über Christopher Evans sprechen, einen 17-jährigen Amerikaner, der 2010 den Prix de Lausanne gewann, ausgebildet in Canada’s National Ballet School und später auch an der Ballettschule des Hamburg Ballett. Er wird ab der nächsten Spielzeit als Gruppentänzer in die Kompanie übernommen und ist eines der ganz großen, herausragenden Talente, die sich an diesem Abend gezeigt haben. Er hat nicht nur die körperlichen Voraussetzungen für eine große Karriere, vor allem verfügt er über das gewisse Etwas, das den Zuschauer in Bann schlägt: eine technische Virtuosität und eine Bühnenpräsenz, die aus dem Innersten kommt, die nie aufgesetzt wirkt, sondern wirklich empfunden ist. Selbst in technisch schwierigen Passagen atmet jede Bewegung eine Leichtigkeit voller Poesie. Dass er auch technisch virtuos ist, zeigt er später noch in anderen Stücken, zum Beispiel im Folklore-Teil, wo die „Russischen Matrosen“ (die Jungs der Theater- und Ausbildungsklassen) in atemberaubendem Tempo über die Bühne fegten. Da ist ein ganz großes Talent herangewachsen, von dem wir in Zukunft hoffentlich noch viel sehen werden.

Bestechend auch die „Cachucha“ von Yaiza Coll Suppert aus der Theaterklasse VIII – ein spanischer Tanz mit Kastagnetten, den die junge Tänzerin ebenso einfühlsam wie präzise und mit dem nötigen Stolz gestaltete. Eigene Tanzkompositionen kamen aus den Ausbildungsklassen IV, V und VI auf die Bühne – schön fließend und vielgestaltig die „Metamorphose“ zu „Childrens Song“ von Chick Corea, eher belanglos dagegen „Yin und Yang“ zu Schlagwerk-Musik, ein Pas de Deux für zwei junge Mädchen, bei dem die Kontraste zwischen den beiden Polen nicht so richtig deutlichen wurden.

Das ließ jedoch ein modernes Knallbonbon schnell vergessen: „Promise is... Jaksoku“, ein Electro/Dubstep-Titel für vier Tänzer und zwei Tänzerinnen der Ausbildungsklasse VI mit perfekter Breakdance-Einlage – das rockte die Bühne, aber sowas von! Als Abschluss dann „Karneval der Tiere“ von Camille de Saint Saens, diese „große zoologische Fantasie für 2 Klaviere und Orchester“, hier in der Choreografie des jungen Argentiniers Demis Volpi. Er hatte die das Stück 2010 für die Ballettschule des Stuttgarter Balletts kreiert – zweifellos eine der gelungensten Versionen, die es gibt. Theater- und Ausbildungsklassen stehen hier gemeinsam auf der Bühne – in Kostümen von Katharina Schlipf, die schon allein den Besuch der Aufführung lohnen! Viel mehr aber noch diese ganz neue und höchst gelungene Interpretation eines Zusammentreffens verschiedenster Tiergestalten – das ist ein Feuerwerk voller Witz, Phantasie und Esprit – ein geniales Werk, das die Hamburger BallettschülerInnen mit Grandezza und wunderbarer Spielfreude zelebrierten. Da capo, bitte! „Erste Schritte“ wird noch einmal im Rahmen der Ballett-Tage 2012 aufgeführt: am 18. Juni um 19 Uhr in der Hamburgischen Staatsoper.

 

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