"Linie 8"

„Linie 8“ in Hellerau

Tanz von Unbekannten

Ein Abend des „LINIE 08“-Projektes in Hellerau

Der Nancy-Spero-Saal in Hellerau ist eher klein. Ein paar Sitzreihen, in denen man knietief hängt. Das Bühnengeschehen spielt sich in nächster Nähe vor einem ab. Dieter Jaenicke, der Intendant des berühmten Festspielhauses Hellerau, lässt hier regelmäßig Choreografen und Tänzer aus der freien Szene von Dresden auftreten.

Dresden, 18/02/2013

„LINIE 08“ heißt das Modellprojekt, das seit vergangenem Jahr der künstlerisch arbeitenden Tanzszene Dresdens Zeit, Raum und Zuschauer und damit Entwicklungsmöglichkeiten liefert. Das Signal nach außen wirkt sympathisch, und Hellerau achtet auf diese Weise seine Authentizität als Ort des Tanzes für alle – die international tourenden Künstler und die Künstler aus der eigenen Stadt. Es macht daher Freude näher hinzuschauen, so wie bei der jetzigen „ LINIE 08“-Ausgabe mit zwei Uraufführungen von Jana Ressel und Robin Jung, wobei hier gleich kritisch anzumerken ist: Wieso wird man bei den international tourenden Künstlern ausführlich über deren CV und Awards informiert, während man auf dem Programmzettel der „Local Heroes“ vergeblich danach sucht, wer sie eigentlich sind? Kein Wort darüber wie lange sie schon choreografieren, ob es die erste, fünfte oder zehnte Kreation ist und welcher Ausbildungsweg hinter ihnen liegt. Bleibt daher nur der Blick darauf, was gezeigt wird. Und das ist beachtlich – auch wenn man Jana Ressels „Balance“, getanzt von Juliane Bauer, Romy Schwarzer und Verena Wilhelm in der Tiefe zu verstehen mag, während sich Robin Jungs „Spandex Warriors“, von Nils Freyer und Dagmar Ottmann getanzt, bei großem spaßigem Genuss nahezu gar nicht erschließt.

Ressels kreierte, wie ganz en vogue, Tanz als eine Versuchsanordnung. Eine schräge Bühne nimmt fast den gesamten Raum ein. Immer wieder flirren kleinteilige Muster über den weißen Boden. Die drei Tänzerinnen erproben verschiedene Konstellationen: Bis an den Rand gehen, Gewicht abgeben, gleichzeitig aufeinander zu ohne sich zu berühren, sich verdrängen, sich halten, sich dabei wahrnehmen, immer wieder getragen von Musik von Steve Reich. Viele Assoziationen gehen einem durch den Kopf: Das Laufen einer Lucinda Childs, Cunninghams Settings oder die choreografischen Loops, die unlängst beispielsweise auch der Münchner Stephan Herwig in „In This Very Moment“ in Gang setzte. Alles ziemlich unaufgeregt, reduziert auf Bewegungskonstellationen im Raum, unbelastet von Emotionen außer den natürlichen mimischen Reaktionen, wenn sie sich begegnen oder sich miteinander konfrontieren. Hier leicht erhöhte Spannung, mal ein Lächeln. Eine sehenswerte Arbeit.

Exaltiert im Vergleich dazu Jungs Arbeit, in der er selbst mittanzt. Komisch die Szenerie. Ein grellgrüner Plastikring eines Planschbades rechts und orangefarbene, durchsichtige Plastikbahnen links hinten auf der Bühne. Kostüme, die von anderen Zeiten erzählen. Jung trägt kurze Hosen und einen Kapuzenpulli, der vorm Hals gleich noch eine Kapuze hängen hat. Seine Partnerin: ein quietschgrünes Kleid, das einen atmosphärisch an spießige Zeiten irgendwann zwischen den 1950er und 1970er erinnern lässt. Harte Blacks setzen die einzelnen getanzten Ereignisse - sie bewegt sich oder rockt zuweilen im Plastikring, Jung und sein Mittänzer zeigen ohne Scheu und Ironie ausgefeiltes klassisches Tanzvokabular - wie Tableaus aneinander. Was das alles erzählen oder bedeuten soll – keine Ahnung. Dennoch frenetischer Applaus, weil die schräge Musik und die Nonchalance, mit der die drei ihr Werk durchpauken, mitreißt.
 

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