Schwäne in 3D

Thema der Spielzeit 2012/13: Live-Kinoübertragungen

Live-Übertragungen von Balletten in Kinos in aller Welt sollen qualitativ hochwertige Ballettvorstellungen zu denen bringen, die nicht in einer Ballettmetropole wohnen, andere Tänzer und Kompanien entdecken wollen oder sich keine Eintrittskarte in die Oper leisten können.

Paris, 30/07/2013

Sehr beliebt seit einigen Jahren sind die Live-Übertragungen von Balletten in Kinos in aller Welt. Diese sollen qualitativ hochwertige Ballettvorstellungen zu denen bringen, die nicht in einer Ballettmetropole wohnen, andere Tänzer und Kompanien entdecken wollen oder sich keine Eintrittskarte in die Oper leisten können – wenn auch nur in auserwählten Kinos und mit meist über 20 Euro pro Ticket zu einem relativ hohen Preis (man würde sich zusätzlich mehr wirklich allgemein zugängliche Ballettvorstellungen im öffentlichen Fernsehen wünschen).

Diese Spielzeit zeigte das Mariinsky-Ballett erstmals eine Live-Vorstellung in 3D, nämlich „Schwanensee“ mit Yekaterina Kondaurova und Timor Askerov in der märchenhaften Fassung von Konstantin Sergeyev aus dem Jahr 1950.

Aus dem Bolschoi-Ballett gab es eine ganze Reihe von Klassiker-Übertragungen, einige davon live: „La Sylphide“, „Schwanensee“, „La Fille du Pharaon“, „Nussknacker“, „La Bayadère“, „Don Quichotte“ sowie Juri Grigorowitschs „Romeo und Julia“ aus dem Jahr 1979.

Auch die Pariser Oper zeigte zum Saisonende „La Sylphide“ in der Fassung von Pierre Lacotte, allerdings nicht in einer Liveübertragung (was einige Kinos nicht daran hinderte, die Vorstellung als solche anzukündigen), sondern in einer Aufzeichnung aus dem Jahr 2004 mit der diaphanen Aurélie Dupont und Mathieu Ganio. Dupont, eine ideale Sylphide, begeistert darin vor allem durch ihre mühelose Grazie und Leichtigkeit, Ganio durch seine Eleganz und seine lupenreine Entrechats. In weniger glänzender Form zeigte sich das Ballett der Pariser Oper in der Live-Übertragung von „Don Quichotte“ im Dezember. Karl Paquette als Basilio war lediglich korrekt, und selbst die sonst in dieser Rolle brilliante Kitri Dorothée Gilbert tanzte nicht auf ihrem sonstigen Niveau. Auch die Nebenrollen waren teilweise verletzungsbedingt nicht ideal besetzt – so dass das Image des Pariser Balletts als klassische Kompanie trotz des guten Corps de Ballet unter dem Ereignis eher gelitten haben dürfte. Ein weiteres Mal war Paquette in Neumeiers „Dritter Symphonie von Gustav Mahler“ zu sehen. Dort glänzte vor allem die neueste Danseuse Etoile Eleonora Abbagnato in der Haydée-Rolle durch ihre Expressivität und Hingabe im Pas de trois „Nacht“ mit Karl Paquette und Stéphane Bullion.

Aus dem Royal Ballet gab es „Schwanensee“ in der Fassung von Anthony Dowell, Peter Wrights „Nussknacker“ und Christopher Wheeldons „Alice in Wonderland“.

„Schwanensee“ auf allen Kanälen also – vielleicht noch Nachwirkungen der „Black Swan“-Welle, auf der der künftige Ballettdirektor Benjamin Millepied im nächsten Jahr von Los Angeles nach Paris surfen wird. Trotz der Vorherrschaft der Klassik auf den Kinoleinwänden wurden auch mehrere zeitgenössische Abende aus dem NDT übertragen mit Balletten (darunter einige Uraufführungen) von Jiří Kylián, Paul Lightfoot und Sol León, aber auch hierzulande weniger bekannter Choreografen.

Das Teatro alla Scala zeigte – allerdings nur in wenigen Kinos außerhalb Italiens – Roland Petits „Notre-Dame de Paris“ mit der sehr drahtigen Natalia Osipova und Roberto Bolle als Quasimodo, der leider seine Aura der Schönheit auch in dieser Rolle behalten wollte und sich nicht so tief in die Rolle einfühlen mochte wie etwa der auf DVD verewigte Nicolas Le Riche.

Neben den Kinoübertragungen gab es diese Spielzeit einige neue Tanzfilme, beispielsweise eine Doppel-DVD der Dokumentation „Graines d’Etoile“ anlässlich des dreihundertjährigen Jubiläums der Ecole de Danse der Pariser Oper.

Darüber hinaus erschienen zwei neue DVDs von „Romeo und Julia“: Kenneth MacMillans Fassung aus dem Royal Ballet mit Lauren Cuthbertson und Federico Bonnelli (die letzte Verfilmung mit Tamara Rojo und Carlos Acosta stammt aus dem Jahr 2007 – man kann nur begrüßen, dass das Royal Ballet auf diese Weise verschiedene Tänzergenerationen dokumentiert) sowie Lawrowskys Fassung für das Mariinsky-Ballett mit Diana Vishneva und Vladimir Shklyarov. Zu den anderen Tanzfilmen der Saison gehören Aufzeichnungen der Gastspiele der Paul Taylor Dance Company im Pariser Théâtre du Châtelet sowie der hochvirtuosen russischen Volkstanzgruppe Ballett Igor Moisseiev im Pariser Palais de Chaillot, die DVD der Dokumentation „First Position“ über den Youth American Grand Prix, eine DVD „Dance & Quartet“ und Heinz Spoerlis „Magnificat“ (beide Zürcher Ballett), eine DVD mit dem Titel „Choreography by Bournonville“ aus Archivmaterial der BBC, ein „Evening with the Royal Ballet“ mit Highlights aus verschiedenen Klassikern, „Nussknacker“ aus dem Mariinsky (Somova-Shklyarov) und „Dornröschen“ aus dem Bolschoi (Zakharova-Hallberg), eine „Rekonstruktion“ von Daubervals „La Fille mal gardée“ von Ivo Cramer, und – passend dazu – die ebenfalls aus den Archiven der BBC zutage geförderte Ashton-Version von „La Fille mal gardée“ in der Uraufführungsbesetzung mit Nadja Nerina und David Blair.

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