Schwäne in 3D
Thema der Spielzeit 2012/13: Live-Kinoübertragungen
Im Internet sind noch Aufzeichnungen mit ihr zu sehen: La Singla tanzt Flamenco. Keine war wie sie. Wenn sie die Rhythmen in die Bretter stampfte, explodierte die Bühne. Nicht nur, weil sie so einzigartig tanzte. Sondern auch, weil sie gehörlos war – Folge einer schweren Hirnhautentzündung im Kleinkindalter. Die Musik nahm sie direkt von den Gitarristen und Sängern ab, hören konnte sie mit dem ganzen Körper, mit jeder Faser ihres Seins. Das machte ihren Tanz so besonders. Er war ursprünglicher, kraftvoller, elementarer, archaischer als der aller anderen. Ihre Augen waren feurig und zornig und traurig zugleich. Von einer tiefen Unergründlichkeit und Tragik. Sie tanzte ganz aus ihrem Inneren heraus. Und in diesem Inneren musste sich unendlich viel angesammelt haben, das explosionsartig aus ihr herausbrach, wenn sie tanzte.
Antonia Singla wurde 1948 in einem der heruntergekommenen Vororte Barcelonas geboren. Sie wuchs auf mit fünf Geschwistern am Strand von El Somorrostro, zwischen den Bahngleisen und dem Meer, in illegal gebauten Baracken, ohne Strom, ohne fließendes Wasser. Bei Unwettern spülte die See die Hütten einfach weg. Die Mutter, eine Obstverkäuferin, brachte die Kinder mehr schlecht als recht durch, der Vater war irgendwann verschwunden. „Hast Du Hunger? Dann tanz.“, sagte sie zu ihren Töchtern.
Schon als Jugendliche wurde Antonia entdeckt und machte als „La Singla“ Karriere, tanzte mit den wichtigsten Flamenco-Gitarristen und -Sängern ihrer Zeit, traf namhafte Künstler wie Salvadore Dalí, Marcel Duchamp und Juan Miró (der ihr ein Bild widmete), tourte durch ganz Europa. Als eine der ersten verband sie Flamenco und Jazz. Als Frau! In einer Welt, die seinerzeit maßgeblich von Männern dominiert und geprägt wurde. Und dann, noch keine 30 Jahre alt, verschwand sie schlagartig von der Bildfläche. Von heute auf morgen. Niemand wusste, wohin. Nie tauchte sie wieder auf.
Fünfzig Jahre später entdeckte die spanische Filmemacherin Paloma Zapata die alten YouTube-Videos, die immer noch die Faszination spiegeln, die La Singla umgeben hat. Sie recherchiert bei allen, die sie als La Singlas Weggefährten noch ausfindig machen konnte – bei der Fotografin, die La Singla seinerzeit vor und hinter den Kulissen begleitet. Sie wühlte sich durch unzählige Fotos, historisches Filmmaterial und Dokumente. Und findet heraus, dass der Erfolg der jungen Frau auch dem Vater zu Ohren gekommen war. Er hatte bis dahin in Frankreich gelebt, mit einer anderen Frau und den gemeinsamen über zehn Kindern. Jetzt kehrte er zurück und beanspruchte den Managerposten für seine erfolgreiche Tochter. Ende der 1960er Jahre, nach vielen erfolgreichen Auftritten, auch in Deutschland, verliert sich La Singlas Spur.
Paloma Zapata lässt nicht locker. Sie geht zurück zu dem Ort von Antonias Kindheit, der heute so nicht mehr existiert. Eine Zufallsbekanntschaft bringt sie auf eine neue Spur. Im Viertel „La Roque“ gibt es ein Autohaus, das „Singla“ heißt, ein in Spanien seltener Name und deshalb auffällig. Paloma macht sich auf den Weg dorthin.
Ob sie La Singla finden wird? Ob sie herausfinden wird, warum sie damals so plötzlich abgetaucht ist? Das sei hier nicht verraten … Schaut selbst! Diesen Film werdet Ihr nicht so schnell vergessen. Er ist eine wunderbare Referenz an eine einzigartige, ganz besondere Flamenco-Tänzerin.
Ab 2. November in den Kinos:
La Singla
Regie: Paloma Zapata
Kamera: Dani Mari, Inaki Gorrraiz
Cast: La Singla, Helena Kaittani
La Singla Trailer - La Singla Trailer OmdU - FILMSTARTS.de
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