Blick nach vorn im Zorn

„no ballet“ künftig nicht mehr in Ludwigshafener Pfalzbau – dafür in Heidelberg

Es knirscht nicht nur hinter, sondern vor den Kulissen. Der scheidende Intendant Hansgünther Heyme und die Leiterin des Choreografie-Wettbewerbs „no ballet“ Juliane Rößler übten bei einer Pressekonferenz Kritik am künftigen Pfalzbau-Leiter.

Ludwigshafen, 30/10/2014

Es knirscht nicht nur hinter, sondern vor den Kulissen des Ludwigshafener Pfalzbaus. Der zum ersten Januar des kommenden Jahres ausscheidende Intendant Hansgünther Heyme und die Leiterin des Choreografie-Wettbewerbs „no ballet“ Juliane Rößler übten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz deutliche Kritik am künftigen Pfalzbau-Leiter Tilman Gersch. Der hat nach neun Jahren Erfolgsgeschichte des Internationalen Choreografie-Wettbewerbs die Reißleine gezogen, ohne Begründung und ohne Juliane Rößler die Gelegenheit zu geben, ihn über das von ihr erdachte und umgesetzte Konzept zu informieren. Heyme setzte gleich noch einen drauf mit Kritik an Entscheidungen seines Nachfolgers im Bereich Kinder- und Jugendtheater.

Dass ein scheidender und ein neuer Intendant sich nicht grün sind, hat keinen Seltenheitswert. Aber üblicherweise bleiben derlei persönliche und künstlerische Querelen eben hinter den Kulissen. Auch der Reibungsverlust durch den Wechsel des künstlerischen Personals ist eine übliche Begleiterscheinung. Eine öffentlich angezettelte Kritik in Abwesenheit des Gescholtenen ist dagegen eher unüblich. Offensichtlich war es doch keine so gute Idee des Gemeinderats in der Chemiestadt, mitten in einer laufenden Spielzeit, also zum Jahresbeginn, die Pferde zu wechseln.

Ob es überhaupt eine gute Idee war, Tilman Gersch zu berufen, wird sich in Zukunft auch daran zeigen, wie er – als ausgewiesener Schauspiel-Mann – mit der Ludwigshafener Tanz-Tradition umgeht. Jahrzehntelang war hier der Tanz das Alleinstellungsmerkmal des auf Gastspiele und Produktionsbeteiligungen begrenzten Hauses. Wenn das Canceln von „no ballet“ ein erster Schritt zum Zurückfahren der Tanz-Priorität im Pfalzbau-Programm sein sollte, dann war es ein Schritt in die falsche Richtung. Es hat Jahrzehnte gedauert, den Ruf des Theaters als Tanzmekka zu etablieren; verspielen kann man ihn innerhalb einer Spielzeit.

Einstweilen aber geht der europaweit größte Choreografie-Wettbewerb für zeitgenössischen Tanz noch zum neunten Mal über die Pfalzbau-Bühne (20.-22. November). Neben dem Filmfestival Mannheim-Heidelberg ist es immerhin der Wettbewerb im Rhein-Neckar-Raum mit der größten internationalen Ausstrahlung; mit Teilnehmern, Kritikern und zunehmend auch professionellen Veranstaltern aus allen fünf Kontinenten. Beispielsweise bis nach Peking konnte die Veranstaltung ausstrahlen, wo inzwischen ein Wettbewerb nach „no ballet“ Vorbild geschaffen wurde. Europaweit einmalig ist die Idee von Juliane Roeßler, zwei völlig verschiedenartige Tanzkulturen aufeinander prallen zu lassen: die internationale zeitgenössische Tanzszene und urbanen Streedance in Form eines HipHop Contest. Was anfangs noch unverbunden nebeneinander stand, ist inzwischen zu einem außergewöhnlichen Begegnungsforum geworden. Mit dieser Idee war die rührige und nicht unumstrittene „no ballet“-Initiatorin der Tanzszene um eine gute Nasenlänge voraus: HipHop ist längst zu einer entscheidenden Inspirationsquelle für den zeitgenössischen Bühnentanz geworden.

Die gute und ganz taufrische Nachricht gab es zum Schluss: „no ballet“ wird ab 2015 in Heidelberg stattfinden. Wo, mit welchen Kooperationspartnern und vor allem, mit welchen finanziellen Mitteln – daran wird noch gearbeitet: hinter den Kulissen der Heidelberger Tanzszene und offensichtlich ganz kooperativ.

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