Die nächste Generation kommt
Choreografie ist Beruf, Handwerk und Talent. Ein Blick auf Weiterbildungsangebote in der Schweiz
Mit einem zweitägigen Symposium ging die 4. Biennale Tanzausbildung in Dresden zu Ende.
Prof. Dr. Rainer Holm-Hadulla (Universität Heidelberg) nutzte in seiner Keynote zum Thema Kreativität das Nietzsche-Zitat vom Gebären eines tanzenden Sterns und verwies damit auf die Notwendigkeiten wie auch die Grenzen kreativen Schaffens. Kreativität ist keine Eingebung, sondern ein Schaffensprozess, vor allem ein schwieriger. Der Meinung war auch Deborah Bull (King's College London), die in lockerer Weise die beiden Veranstaltungstage als zusammenfassende Stimme begleitete und dem ganzen so zur nötigen Struktur verhalf.
Und Struktur, oder vielmehr Strukturiertheit galt allen Beteiligten als grundlegender Aspekt kreativen Schaffens. Die Frage, wieviel Kreativität dabei in Institutionen selbst stecke, brachte Verblüffendes zutage: Niemand betrachtet sich gern als Institution, da dem Begriff der Charme von Beton anheim zu sein scheint. Institutionen gelten als technisch, nicht als kreativ. Im Verlauf der Diskussionen fiel mehrmals der Begriff des Dinosauriers. Das kann man als löblich betrachten, zeigt es doch den Willen zur stetigen Veränderung, zu Offenheit. Anders wäre Tanzausbildung auch nicht denkbar. Und der Tanz ist bereits weit gekommen, auch wenn das Fehlen einer akademischen Tradition und die daraus folgende Wahrnehmung von Tanz in der Öffentlichkeit beklagt wurde. Tänzer sind heute besser und gesünder denn je und verfügen in der Regel über eine erarbeitete Einheit von Kraft und Technik. Trotzdem trägt das einen Tänzer längst nicht durch eine erfolgreiche Karriere.
Fragen nach dem Sinn und Widersinn des Wettbewerbsgedankens und der richtigen oder falschen Form der Vorbereitung der Studierenden auf die Wirklichkeit zeigten eine generell verbreitete Unsicherheit unter den Tänzern. Das liegt nicht zuletzt an die gestiegenen Herausforderungen. Künstler, Manager und Marketing-Experte in Personalunion zu sein ist ein Spagat der besonderen Art. Der Wunsch, auf alle Eventualitäten des Lebens vorbereitet zu sein, ist zutiefst menschlich, überrascht aber doch gerade im Bereich der Kreativität. Auch wenn Networking als das Zauberwort schlechthin gilt, hat Jan Pusch (Staatstheater Braunschweig) die Sache auf den Punkt gebracht: „Dem Tanz fehlt in Deutschland die politische Lobby.“
Genau deshalb zeigt sich der Bereich Tanz (auch auf internationaler Ebene) innovativ. Das zeigte nicht zuletzt ein Panel über aktuelle Forschung zum Thema. Forsythes „Motion Bank“ oder Kyliáns Projekt „One Of A Kind“ sind nur zwei Beispiele. Das Schaffen eines Zugangs zu Wissen führt zusehends zu einer Bereicherung des Tanzes durch Konfrontation und Vernetzung unterschiedlichster Arbeitsweisen. Daraus wiederum resultiert ein gesteigertes Vermögen zu Reflexion. Wir sind unser Körper. Und dieser muss nicht nur Druck standhalten, sondern ist auch dazu in der Lage, sei es während der Ausbildung oder während des Berufes als Tänzer. Es gilt lediglich jenen Druck, den Gedanken des Wettbewerbes, in eine positive Herausforderung um zu münzen. Das fordert die eigene Kreativität. Und dieser Akt beginnt bereits im Alltag. Oder, um es mit den Worten von Deborah Bull zu sagen: „Jedes Mal, wenn Sie Ihre Füße in die fünfte Position bringen, tun Sie schon was Kreatives.“
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