Homeless durch die Jahrzehnte
Ein Höhepunkt der Heidelberger Tanzbiennale: Maguy Marins Klassiker „May B“
Mathilde Monnier und La Ribot sorgen für einen Höhepunkt der Tanzbiennale
Sie sind beide in einem Alter, in dem man als Bühnendarstellerin das Geburtsdatum tunlichst aus allen Medien tilgt. Sie sind beide international renommierte Künstlerinnen, haben jede Menge choreografische Lorbeeren geerntet und verfügen – Jahre hin oder her – über trainierte Körper, beachtliche Beine und zumindest ähnliche Proportionen. Mit diesen Voraussetzungen spielen die Französin Mathilde Monnier und die Spanierin Maria (La) Ribot virtuos in ihrem Erfolgs-Duo „Gustavia“, das bei der Tanzbiennale in der Hebelhalle für Furore sorgte.
Kein Wunder: So lustig und so schlau, so wort- und körpergewandt auf einmal ist Tanztheater nicht alle Tage. Für „Gustavia“ haben sich die beiden Künstlerinnen vom Stummfilm, von Clowns und Groteske inspirieren lassen. Fündig wurden sie bei der Komik der Übertreibung in scheinbar endlosen Repetitionen, bei unerwarteten Brüchen und absurder Situationskomik. So heulen Mathilde Monnier und La Ribot abwechselnd scheinbar untröstlich ins Mikro, während sie zwischendurch kleine, perfide Machtkämpfe austragen, bis La Ribot bilderbuchmäßig vom Weinen ins prustende Lachen wechselt. Sie schultert ein langes Brett und marschiert damit zackig quer über die Bühne, während sie bei ihren Drehmanövern ihre Partnerin ganz nebenbei gefühlte hundertmal lässig niedermäht – eine Charly-Chaplin-würdige Sequenz. Der drapierte Faltenwurf der schwarz ausgeschlagenen Bühne wird dabei mal mit Füßen getreten, mal dient er („Dinner for one“ lässt grüßen) als Stolperfalle für die Eleganz.
Mit gekonnt platzierten Brüchen sind die beiden Damen Diven und Zwillingsschwestern, liefern sich bitterböse Konkurrenzkämpfe und zeigen künstlerischen Schulterschluss. Lässig gelingt dabei die artistisch herausfordernde Übung, sich selbst auf den Arm zu nehmen. Am Ende liefern sie sich, auf Barhockern posierend, ein perfekt choreografiertes Wortgefecht um die Eigenschaften der aktuellen Super-Frau: höchst witzig, selbstironisch und durchaus ernstzunehmend.
Beim anschließenden „Artist talk“ plauderte das Damen-Duo entspannt aus dem künstlerischen Nähkästchen. Maria Ribot, inzwischen als Dozentin an der Kunsthochschule Genf lehrend, bedauerte die fehlenden öffentlichen Mittel für zeitgenössischen Tanz in Spanien. Ganz anders sei die Situation in Frankreich dagegen, wo mit der Gründung der Choreografischen Zentren in den achtziger Jahren eine große Welle der Tanzerneuerung durchs Land ging. In Heidelbergs Partnerstadt Montpellier, dessen berühmtes Centre Chorégraphique Mathilde Monnier in den letzten zehn Jahren leitete, gibt es rund 50 (!) professionelle Tanzcompagnien – und ein weit über die Grenzen des Landes hinaus beachtetes Tanzfestival. Der Tanz hatte einen Hauptanteil an der Entwicklung eines neuen Profils der Stadt; Heidelberg mit seinem neuen Choreografischen Centrum und der vom Publikum regelrecht gestürmten Tanzbiennale könnte sich an der Partnerstadt ein erstklassiges Beispiel nehmen.
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