Die Gala!
Ursula Kaufmanns Fotoblog zur Gala des Deutschen Tanzpreises 2024
Die Begegnung mit dem Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker anlässlich der Verleihung des Deutschen Tanzpreises an Hans Werner Henze 2001 wird niemand vergessen, der die Gelegenheit hatte, im Aalto Theater diesem wohl beliebtesten Inhaber des höchsten Amtes, das Deutschland zu vergeben hat, zu lauschen. Ein kluger, höchst kultivierter Mann, dem es sichtlich Vergnügen bereitete, einmal ausbrechen zu können aus staatstragenden Veranstaltungen und einem berühmten, wenn nicht dem bedeutendsten Komponisten der Nachkriegszeit eine Laudatio zu halten. Sie entwickelte eine Herzlichkeit, die keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass er sich bewusst war, auf welch diffizilem Terrain er sich vor einem Insider-Publikum bewegte: nämlich Tanz- und Musik-Spezialisten.
Weder Hans Werner Henze noch der Laudator waren ausgewiesene Freunde des Balletts, aber es stand außer Frage, dass sie dieser Kunst höchste Bewunderung zollten. Man muss nicht unbedingt ein Bewunderer werden, um sich in eine Kunstgattung einzufühlen, und das ist Weizsäcker besonders eindrucksvoll gelungen, wie bei so vielen anderen Gelegenheiten.
Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, hat der Ehemann Weizsäcker bei dieser Gelegenheit seiner Frau, die in der ersten Reihe saß, denn auch Augen zwinkernd gesagt, dass er besonders gern nach Essen kam, denn dort hätte er sie kennengelernt und alle vier Kinder des Paares wären dort zur Welt gekommen.
Dieser Präsident ist auch durch seine Rede zur Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs in die Geschichtsbücher eingegangen. Er verkörperte den Typ Politiker, der zum Anfassen und nicht abgehoben war, obwohl er von einer ganz besonderen Klasse war, und der auch, wenn notwendig, anderer Meinung sein und dies aussprechen konnte. Ein erfülltes Leben ist zu Ende gegangen, aber dieser Mann wird nicht nur uns Theaterleuten fehlen!
Ich möchte mich gern an mein schönstes Zusammentreffen mit Inge Stoffers erinnern, die ich die Grande Dame des Berufsverbands für Tanzpädagogik nennen möchte. Es war bei einem der RAD-Kurs in der Turnhalle des Schwabinger TSV anlässlich der Schlussdemonstration. Wie immer kam ich recht knapp, kein Platz war mehr zu sehen, als mir Inge in High Heels winkte und neben sich ein Plätzchen freimachte. So unkompliziert war sie immer, ich werde sie nie vergessen.
Sie wuchs in Wilhelmshaven auf, als es in unserem Land noch keine staatlich organisierten Schulen für Tanz (außer die Folkwangschule in Essen) gab, sondern der Nachwuchs entweder an den Theatern nebenbei oder an privaten Schulen unterrichtet wurde. Es war eigentlich dem Zufall überlassen, Lehrer/Innen zu finden, die neben dem vorausgesetzten technischen Wissen auch das notwendige pädagogische mitbrachten. Als 17-Jährige kam sie nach Berlin zur heimlichen Königin des Balletts Tatjana Gsovski. Diese nahm sie wegen ihrer außergewöhnlichen Begabung ohne Honorar in ihre Schule auf.
In Berlin blieb die junge Tänzerin mit Kurzengagements bis die Theater nach Kriegsausbruch und den bald beginnenden Bombenangriffen schlossen. Sie schaffte es gerade noch zurück in ihre Heimat. Nach Kriegsende half sie am örtlichen Theater aus, entschloss sich aber bald selbst zu unterrichten – in der kleinen Schule, wo sie selbst die ersten Schritte gelernt hatte. Diese ersten Anfänge wuchsen zu einem bedeutenden Institut in der kleinen Stadt mit großem Hafen. Daraus gingen vor allem richtig gute Tänzerinnen (junge Männer gab's ja keine mehr) hervor, wie Anna Maria Kircher, die aus Kaiserlautern zu ihr gekommen war und eine beachtliche Solistenkarriere machte, zuerst in der angeschlossenen Caprice Compagnie und dann an größeren Theatern.
Inge hatte mit Tatjana Gsovski eine andere Gemeinsamkeit. Sie blieb Lernende ein Leben lang. Die berühmte Tatjana saß jedes Jahr bei der Sommerakademie in Köln, als es noch ein internationales Ballettzentrum war, und schrieb bei Lehrerkollegen mit! (Die Hefte liegen heute in der Akademie der Künste in Berlin mit wunderbaren kleinen Zeichnungen.) Inge erarbeitete sich den Syllabus der Royal Academy als Gründungsmitglied des Berufsverbands. Leider konnte sie nicht mehr nach Essen reisen, als der neue Vorstand unter Günther Rebel sie zum Ehrenmitglied ernannte. Sie hat sich sehr gefreut und schriftlich bedankt, dass man sie noch nicht vergessen hatte, doch wie könnte man?
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