„Eine große Ehre“
Tarek Assam zum Sprecher der Bundesdeutschen Ballett- und Tanztheaterdirektoren Konferenz gewählt
Tanzabend von Gastchoreografin Rosana Hribar mit der Tanzcompagnie Gießen
Auf der Studiobühne taT des Stadttheaters Gießen hatte wieder einmal ein Tanzstück Premiere, das von einer Gastchoreografin einstudiert war. Rosana Hribar hatte sechs Wochen Zeit, um mit der Tanzcompagnie Gießen (TCG) ein Stück unter dem vorgegebenen Titel „Glaub an mich“ zu erarbeiten. Die meisten Choreografien hat die aus Slowenien stammende Tänzerin bislang gemeinsam mit ihrem Partner Gregor Lustek erarbeitet, dieses Mal hatten sie getrennte Aufträge. Der Gießener Ballettdirektor Tarek Assam lernte eine ihrer Arbeiten 2013 bei der Tanzmesse Düsseldorf kennen und lud sie nach Gießen ein, für ihre erste Arbeit mit einer deutschen Kompanie.
Das „Glaub an mich“ hat sie zu ewigen Sinnfragen ausgeweitet: Wer bin ich wirklich? Wer möchte ich sein? Wo komme ich her und wo möchte ich hin? Zugespitzt auf die Frage: Was würde ich tun, wenn ich die freie Wahl hätte? Die vier Tänzerinnen und zwei Tänzer haben dabei individuelle Rollen, die Hribar herausgearbeitet hat aus dem angebotenen Bewegungsmaterial der international besetzten Tanzcompagnie. Dabei nutzt sie gern ironische Brechungen und das auf sehr feinfühlige Weise.
Vor allem die Männerrollen werden deutlich hinterfragt. Zu Beginn ist es William Banks, der in schwarzen Tüll gehüllt traurig auf einem Stuhl sitzt, auf manierierte Weise die Bewegungen von Finger, Armen und Kopf erprobt und einen Hauch Schwanensee im Tutu zeigt. Das ganze Stück über bleibt er der sensible und unverstandene Außenseiter. Am Ende ist es Iacopo Loliva, der seine vorherigen Aktionen, die von Durchsetzungsvermögen bis zur Gewaltausübung geprägt waren, frei tanzend reflektiert. Dabei italienisch parlierend, in gelockerter Kleidung und in Lachen ausbrechend. Eigentlich ist er doch ein netter Bursche und kein Vergewaltiger, will das wohl sagen. Die Gruppe schaut ihm zu, versöhnt und friedlich vereint unter dem Weltenbaum (Bühne und Kostüme Teresa Rinn). Fehlte eigentlich nur noch der Song „We are the world“.
Dazwischen geht es teilweise hart zur Sache. Die Gruppe tritt in Anzügen mit Weste und Schlips auf, die Haare sind zusammengebunden, die Geschlechter kaum erkennbar. Die stark rhythmischen Parts sind von immer sich wiederholenden schnellen Bewegungsabläufen geprägt, teils zu entsprechenden Sounds oder vom heftigen Atmen unterlegt. Tretmühle pur. Bis jemand ausbricht, weinend in Krämpfe verfällt oder schreiend sich die Kleider vom Leib reißt. Nach und nach entdecken die Frauen ihre Weiblichkeit, die sich in entsprechender Kleidung und sexy Bewegungsabläufen spiegelt (Caitlin-Rae Crook, Kristina Norri, Agnieszka Jachym, Magdalena Stoyanova). Das pendelt zwischen klagender Sehnsucht und direkter Anmache, einem rigorosen Sich nehmen, was man will, und dem Immer wieder zurückweichen. Bunt wie das Leben eben.
Ein spannender Tanzabend, dessen ungewohntes Bewegungsrepertoire die Tanzcompagnie souverän und engagiert umsetzte. Ungewohnt auch der direkte Blick der Choreografin auf unangenehme Verhaltensweisen, bei denen man am liebsten die Augen schließen möchte. Der kurze Moment des Innehaltens danach lässt die Erkenntnis reifen: Ja, auch das gehört zum Leben, doch man kann was dagegen tun. So sind am Ende keine Fragen mehr auf der Rückwand, sondern lyrische Verse mit der zentralen Aufforderung „Du sollst lieben“.
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