„Simulante Bande“

„Simulante Bande“

Weiter Weg bis zum Grenzübergang

Das 4. Dance-Transit-Festival im Leipziger LOFFT

Vor allem Prager Tänzer überzeugen bei diesem dreitägigen Einblick in die ‚mixed abled’ Tanzszene.

Leipzig, 02/12/2015

Ein Festival an drei Abenden, mit drei Stücken aus drei Städten. Von Donnerstag bis Samstag stellten sich im Lofft mit „Dance Transit - Praha. Leipzig. Dresden“ Produktionen aus diesen als ‚Tanz-Metropolen’ apostrophierten Orten vor. Inhaltliche Klammer dieses inzwischen vierten Festivaldurchlaufs bildete der Begriff ‚Mixed Abled’. Kein Novum im Lofft, wo eine kontinuierliche Ausschau nach Partizipation und ein Interesse an Produktionen, in denen Tänzer und Tänzerinnen mit und ohne Behinderung sich an etwas wie einer gemeinsamen ästhetischen Sprache versuchen, ein fester inhaltlicher Ausrichtungspunkt ist. Dabei geht es freilich vor allem darum, die Möglichkeiten zu forcieren, einschlägige Produktionen über den fraglos wichtigen soziokulturellen Aspekt hinaus zu heben, sie in das Terrain der Kunst zu transportieren. Wie gut das funktionieren und aussehen kann, war im Lofft schon mehrfach zu erleben. Was nun besagtes Terrain zu diesem Transit-Durchlauf angeht, so bewegt sich in selbigem eindeutig nur eine Inszenierung. Überrascht es, dass diese, unabhängig von welchem Präfix auch immer, aus der einzigen Stadt kommt, die tatsächlich eine Metropole ist?

„Simulante Bande“ heißt die Produktion der Prager VerTeDance Company. Ein Stück der Choreografinnen Veronika Kotlíková und Tereza Ondrová, in dem man auf einer ganz anderen Grenzlinie tanzt. Die tschechische Popformation DVA liefert dafür die Musik, die in ihrer Struktur ohnehin schon eine Melange zelebriert, ob der alle möglichen Einflüsse zu Pop werden. Ein kühler Minimalismus mit verspielten Schnörkeln, zu dem wunderbar diese Bewegungsformationen passen, die hier gezeigt werden. Rollstuhl-Pop-n-Roll-Technik und die Spielarten des Körpervermögens, das berührende Staunen beim Gliedmaßen berühren, die Widerspenstigkeit und Harmonie, die aufgeht in einer rhythmischen Struktur, die die choreografische Feinmechanik schnurren lässt. In der alles spannt, pulsiert, fließt, schwingt und plötzlich jenseits der Kategorien von behindert oder nicht behindert ist. Und das wohlgemerkt, ohne die Behinderungen zu kaschieren, ohne sie weg zu blenden wie in jenen Versuchen einer oft wohlmeinenden choreografischen Pseudogleichheit.

„Simulante Bande“ zeigt also bestens, wo man im Terrain der Kunst qualitativ stehen kann mit dem Label ‚Mixed Abled’. Die Produktionen „Mashed Potato“ (Leipzig) und „Multifil Identity“ (Dresden) zeigen, welchen Weg es noch zurückzulegen gilt bis dorthin, bis zum endgültigen Grenzübergang. In beiden Arbeiten findet sich dabei fraglos das Potential dazu. In „Mashed Potato“ mehr, in „Multifil Identity“ weniger.

Fairer Weise muss man aber sagen, dass gerade bei letzterer Arbeit sich der bröselige dramaturgische Rahmen dem Umstand schulden mag, dass das Stück ursprünglich als Performance im Dresdner Hygienemuseum mit mehr als 30 Beteiligten konzipiert und aufgeführt wurde. Der abgespeckten Fassung, die jetzt im Lofft zu sehen war, mag auch deshalb jene Redundanz anhaften, ob der sich „Multifil Identity“ hier als kaum mehr denn eine choreografische Szenenreihung offeriert. Gezuckert mit einer bis auf Ausnahmen gern gefühligen Musik, wird dabei genau das vor allem anvisiert: Das Gefühlige, das ergreifen und berühren soll.

Was in Einzelszenarien durchaus gelingt. Im zart-verzweifelten Trio zu Arvo Pärts „Spiegel im Spiegel“ (eine der musikalischen Qualitätsausnahmen der Inszenierung) oder einem ironisch-skurrilen Duett, in dem eine Frau im Elektrorollstuhl den Tänzer immer wieder vor sich hertreibt, über den Boden schleift oder transportiert wie einen aller Kraft beraubten Körpersack. Es gäbe weitere derartige Beispiele, aber keines würde den Gesamteindruck schmälern – wie gesagt, Potential ist da, aber der Weg zur Kunst noch weit.

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