Man muss die Arbeit lieben
Ein Interview mit Richard Wherlock
„Juditha triumphans“: Das Ballett Basel mit seiner Version der Judith-Geschichte
Judith ist eine Variation der David- und Goliath-Geschichte: Die äußerlich unterlegene Frau besiegt den mächtigen Kriegsherrn Holofernes, der mit seinem Schwert die Stadt Bethulien niederzwingt. Mutig begibt sich die schöne jüdische Witwe Judith ins assyrische Kriegslager. Ob ihrem Anblick gerät des Feindes Herz in Wallung. Judith macht den Feind, betrunken von Wein und ihrer Schönheit, gefügig. Sie besiegt ihn mit ihrer Klugheit.
Auch in der Version von Ballettdirektor Richard Wherlock nimmt die zartgliedrige Heldin Juditha ihr Schicksal in die Hand. Heldinnen sind gefragt – früher wie heute. Was auch der Titel des Stücks „Juditha triumphans“ suggeriert: Wherlocks Wahl ist auf das gleichnamige Oratorium von Vivaldi gefallen. Im Vokalensemble singen ausschließlich Frauen. Selbst die Partie des Holofernes singt eine Frauenstimme des Basler Vokalensembles La Cetra. Vivaldi komponierte das Oratorium für das venezianische Mädchenwaisenhaus Ospedale della Pietà. Schon damals, 1716 in Venedig, sangen und musizierten im Stück einzig junge Frauen. Eine erzählerisch-dramatische Magie, die bis heute anhält: Der Abend in Basel erklingt in Poesie, sinnlich und melancholisch zugleich.
Mit Vivaldis Oratorium erzählt Richard Wherlock nicht nur eine Heldinnengeschichte. Er lotet die Beziehung zwischen Juditha und Holofernes in ihrer ganzen erotischen Ambivalenz aus. Ein Spiel zwischen Liebe und List. Mit der ganzen Klaviatur der Bewegungssprache schildern die Solisten Ayako Nakano und Jorge García Pérez ihre ambivalente Beziehung. Eine Körpersprache, die Fallhöhen von Charme, Erotik bis hin zu Wut ausdrückt. Die Bewegungssprache des Basler Balletts ist kräftig und zart zugleich. Eine Leidenschaft, die in jedem Augenblick auf der Bühne entsteht.
Die Interpretation des Ballett Basel taucht die Judith-Geschichte in ein neues Licht. Richard Wherlock ist ein Choreograf, der Stoffe der Weltliteratur mit seiner Intuition in Einklang bringt. Mit zeitgenössischem Blick erzählt er eine Heldinnengeschichte, die irgendwo auf der Welt spielen könnte – in Serbien, Jerusalem oder auch in Londons Westend. Überall dort, wo eine Menschenseele für Freiheit und Gerechtigkeit kämpft.
Seine Juditha ist entwaffnend, ihre Verführungstaktik subtil und hinreißend zugleich. Weder Kriegsheld Holofernes noch das Publikum kann sich ihrer entziehen. Volksheldin oder Femme fatale – in Basel ist Juditha eine zarte Heldin, der die Herzen zufliegen.
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