Alles wieder gut?
Berliner Senatsverwaltung rehabilitiert nun auch Ralf Stabel in der Causa Staatliche Ballettschule
Am Ende rieselte vom Schnürboden Glitzer auf die Bühne des Schiller Theaters und vergoldete die freien Oberkörper einiger Jungen und die edlen Kostüme all der anderen Tänzerinnen und Tänzer. So feierte die Staatliche Ballettschule Berlin ihren 65. Geburtstag: weit entfernt von Gedanken an die Rente, mit Ausrichtung auf die Zukunft. Was 1951 an der Niederlagstraße begann, unweit der Staatsoper als Einsatzort der Absolventen, setzt sich in einem modernen, 2010 eingeweihten Schulkomplex an der Erich-Weinert-Straße fort, in einem Bau von Weltrang. Auch drinnen werden Talente aus mehr als 20 Nationen geformt, für die ständig steigenden Anforderungen der internationalen Theater und Kompanien. Von anfangs drei Jahren hat sich die Ausbildungszeit fast verdreifacht, bietet Realschulabschluss, Abitur oder den Erwerb des Bachelorgrads an – all dies, um die Absolventen, über den Beruf hinaus, auf die Wechselfälle der Karriere vorzubereiten. Ein Pädagogenteam im tanzpraktischen wie allgemeinschulischen Bereich steht dabei den Schülern engagiert zur Seite. Ralf Stabel als Schulleiter und Gregor Seyffert als Künstlerischer Leiter wiesen in ihrem Begrüßungs-Dialog auf diese Struktur hin und konnten für die Jubiläums-Gala Gäste aus sieben renommierten Schwesterneinrichtungen willkommen heißen.
Fulminant leiteten die Gastgeber das gut zweieinhalbstündige Programm ein: Im Grand Pas de deux aus dem Revolutionsballett „Die Flamme von Paris“ brillierten Elena Iseki und Haruto Goto mit Drehfeuer und Sprungtricks. Ganz aus dem Spiel heraus sind zwei Schulen an ihre Beiträge gegangen. Die Ballettakademie der Wiener Staatsoper verwickelte bezaubernd zwei Paare in den Flirt um erste Liebe. Einer der Ungarischen Tänze von Brahms lieferte die akzentuierten Csárdás-Klänge zu diesem Ausschnitt aus der größeren Choreografie „21 Hungarian Dances“. Auch die Ballettschule des Hamburg Ballett John Neumeier hatte Exzerpte im Glückwunschgepäck. Die harmonische Bewegungssprache ihres Namensgebers machte die Liebesplänkeleien der zwei Trios und eines Paares auf einschmeichelnden Tenorgesang zum anrührenden Zusehspaß.
Ganz auf Charaktertanz, jene für die Bühne stilisierte Form von nationaler Folklore, setzte die Königliche Ballettschule Kopenhagen. Sie zeigte wider Erwarten nichts von Stammvater August Bournonville, sondern ließ zu Musik aus Jules Massenets Oper „Le Cid“ fünf Mädchen mit ihren Fächern Spanien-Kolorit zaubern. Aus „Schwanensee“ brachte sie, auch choreografiert von John Neumeiers Ex-Ballerina Lynn Charles, mit derselben Mädchencrew den Russischen Tanz mit: Spitze für die Solistin, Absatzschuhe für die Gruppe, Tüchlein und Krönchen für alle. Mit überwiegend klassischen Variationen imponierten Studenten der dem Stuttgarter Ballett assoziierten John Cranko Schule: als athletischer Springer der „Talisman“ Motomi Kiyota, als ätherische „Bayadere“ Madeline Woo und als vielversprechender Jean aus „Raymonda“ Gabriel Figueredo mit superlangen Beinen. Den Reigen der Glückwunschüberbringer aus deutschen Landes komplettierten Emma Antrobus und Stanislaw Wegrzyn aus der Ballett-Akademie der Hochschule für Musik und Theater München. Ihr Duett „At a loss for words“ inmitten eines Blütenmeeres bestach durch seinen Zeitlupencharakter und die souveräne Präsentation.
Die charmante Ksenia Andreenko der Vaganova Ballett Akademie in Sankt Petersburg hatte sich eine knifflige Variation aus der Seeräuber-Pistole „Le Corsaire“ ausgesucht. Den weitesten Weg allerdings legten Fabiana Pérez Méndez und Olivera Cepeda von der Nationalen Ballettschule Kuba in Havanna zurück und kamen trotz der Staatstrauer nach dem Tod von Fidel Castro. Sie bestätigten den unangefochtenen Ruf der Schule als eines Ausbildungsorts speziell für Jungen. Was Olivera als Basil im Grand Pas de deux aus „Don Quixote“ an Noblesse, Sprung- und Drehvirtuosität servierte, und wie leichthin, ist die Geburt eines weiteren kubanischen Weltstars. Dem stand der Jubilar an technischem Feuer nicht nach. Was Marco Goecke für ein Dutzend Tänzer der Schlussjahrgänge entworfen hat, „All Long Dem Day“ zur sich steigernden Intensität der Sängerin Nina Simone, ist seither ein internationaler Erfolg und stieß auch auf die Begeisterung der Gala-Gäste. Goecke trifft mit seinem fahrigen Gestus die Stimmung unserer Zeit: den Verlust jeder Konstante. Die Erwartungen ihrer Zuschauer hat vor ausverkauftem Haus die Staatliche Ballettschule vollauf erfüllt, wie der Jubel zum „Bolero“ als finalem Hymnus auf den Ausbildungsweg und das anschließende Defilee aller Gäste und Pädagogen bewies.
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