Plädoyer gegen Rassismus im Tanz
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„Anna Karenina“ von Christian Spuck am Bayerischen Staatsballett
Tonal rattert ein Zug durch die Nacht. Alle trauern um Anna Karenina. Vom Schluss her choreografiert Christian Spuck Tolstois berühmten Roman „Anna Karenina“ mit dem Münchner Staatsballett, drei Jahre nach der Uraufführung in Zürich und zum ersten Mal in Deutschland. Im Wechsel von Lutoslawskis Dissonanzen und Rachmaninows Herz-Schmerz-Musik (außerdem Sound-Collagen Martin Donner) gelingt ein mitreißendes Erzählballett mit Fokus auf drei Liebespaare, die nicht nur schön tanzen, sondern mit schauspielerischer Expression die Facetten drei sehr unterschiedlicher Liebesbeziehungen authentisch berührend vermitteln und die glatte Eleganz des klassischen Balletts mit sinnlicher Leidenschaftlichkeit, der Dramatik moderner Ausdrucksformen und zuweilen auch grotesker Gestik weiten.
Nichts lenkt ab. Die Bühne bleibt, bis auf einige Birkenstämme, die russisches Kolorit einbringen, reduziert. Das Licht interpretiert, sonnenhell die großen Liebesmomente, grell überzeichnet Wronskis Reitunfall als groteske Tribünenszene, die Landarbeit auf dem Feld in naturalistischer Härte sommerlicher Hitze. Überschattet, als Erinnerungsfiktion präsentiert Christian Spuck Ball- und die Salonszenen. Nur matt glänzen die pastellfarbenen Ballkleider der Damen. Umso mehr strahlen Kitty in Blau, Anna Karenina in Rot – als Symbol gelebter Liebe –, während Fürstin Betsy metallisch schimmert, Teil einer geschlossenen Gesellschaft, deren Regeln Anna Karenina durchbricht. Die Dampflokomotive kommt per Videoprojektion, ist auch tonal mit Gänsehauteffekt immer wieder präsent und lässt das unheilvolle Ende unerbittlich nahen.
Im Wechsel von Corps de Ballet und solistischen Pas de deux entwickelt sich das fulminante Spiel der Liebesbeziehungen in tänzerischer Handfassung, mit ständigen Drehungen, extrem hohen Beinen, in denen die weiten Roben verführerisch schwingen. Ksenia Ryzhkova gibt Anna Karenina all die Facetten, die in Tolstois Roman entworfen wurden: die Verführte, Leidenschaftliche, Ekstatische, zärtlich Naive, die Verzweifelte, die schließlich die Balance verliert, strauchelt, fällt und unter die Räder kommt. Ein Opfer der Männer. Ihr Leid wird durch die Stimme der Mezzosopranistin Alyona Abramova gefühlvoll hörbar.
Graf Wronski (Matthew Golding) und auch ihr Mann Karenin (Erik Murzagaliyev), benutzen Anna Karenina zur Lustbefriedigung, in einem spannungsreichen Pas de trois vertanzt. Die Liebe zu Graf Wronski verglüht in den leidenschaftlichen, aber sich wiederholenden Dreh- und Hebefiguren. Im Spagat kopfüber gibt sich Anna ganz hin und schwebt doch nur als Trophäe des Mannes. Der eigene Mann kann die erlittene Schande nicht ertragen, demütigt sie sexuell und wirft sie weg, den Sohn mit sich nehmend. Das sind starke, bedrückende Tanzsequenzen.
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