Rose mit Dornen
Machtmissbrauch bei Rosas: Tänzer*innen erheben Vorwürfe gegen Anne Teresa de Keersmaeker
Wiener Festwochen: Anne Teresa De Keersmaeker / Rosas gastierten mit ihrer jüngsten Produktion „Exit Above“ in der Volksoper
Der scheidende belgische Festwochen-Intendant Christophe Slagmuylder war immer wieder kritisiert worden wegen seiner angeblich quantitativ überbordenden Tanz-Programmierung, das Schauspiel wäre zu kurz gekommen. In seiner letzten, vom theaterfreudigen Wiener Feuilleton mit viel Zustimmung aufgenommenen Gestaltung, beschränkte sich das tänzerische Angebot vor allem auf Doris Uhlichs „Melancholic Ground“ auf einem öffentlichen Spielplatz, Mette Ingvartsens aus dem öffentlichen Raum ins Theater geholten sozialen Thematik „Skatepark“ – tanznetz berichtete – und zum Abschluss nun auf eine weitere künstlerisch-soziale Arbeit.
In „Exit Above“, der im Mai in Brüssel uraufgeführten 90-minütigen Produktion von Anne de Teresa de Keersmaeker, scheint die unmittelbare Verfasstheit der Letzten Generation auf die leere Bühne der Volksoper geschwappt zu sein. Im Untertitel verweist das Programmheft zwar in kleiner Schrift auf die Bezeichnung „nach dem sturm“, aber Shakespeare und etliche weitere dramaturgische Zutaten, die erstaunlich ausführlich, fast stellvertretermäßig, beschrieben werden, eröffnen sich in der unmaskierten Inszenierung kaum. Gerade einmal eine Plastikplane wird zentral von der Windmaschine angeblasen.
Es wirkt vielmehr so, als habe Keersmaeker mit einer sehr jungen und diversen 14-köpfigen Tänzer*innen-Gruppe etwas mühselig und holprig an einem neuen Stück gewerkt, das im Arbeitstitel „Walkin“ hieß und ursprünglich aus ihrer Ansicht „Mein Gehen ist mein Tanzen“ entstanden ist. Die Attraktion des Abends ist allerdings die 23jährige Singer-/Songwriterin Meskerem Mees, die mit dem Tänzer-Gitarristen Carlos Garbin „Walking Songs“ interpretiert und dabei weite Teile des Abends einem stimmungsvollen Blues huldigt. Um sie herum scharen sich bunt die tanzend Bewegten, die scheinbar ihren persönlichen urbanen Movements anhängen und erst nach und nach Keersmaekers choreografische Eigenheiten wie kleine verschmitzte Sprünge und abrupte Wendungen zum Aufblitzen bringen.
Wenn der Blues von einer Art von Pop mit schrillem Gitarrensound überholt wird, zieht die Spannung im Geschehen an, und es wird an der Bühnenrampe gemeinsam gekotzt. Einmal alle: Hands up! Einmal im Text: „Take back what has been lost ...“
Natürlich kann der Zuschauende ein weiteres Mal erkennen, dass er auch im goldenen Theater nicht davonkommt vor einer Neuvermessung der Welt, sollte der Globe uns erhalten bleiben. Am Ende rinnen die Tränen. Starker Applaus.
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