„Plaza“ der Junior Company der Älteren des Leipziger Tanztheaters von Clara Sjölin

Fast schon Utopie

„Plaza“ von Clara Sjölin mit dem Leipziger Tanztheater

Clara Sjölin zeigt zu ihrem Einstand am Leipziger Tanztheater „Plaza“. 42 Jugendliche tanzen sich bis zur Utopie.

Leipzig, 20/06/2024

Sie kommen und gehen, einige in flirrenden Kostümen, andere in strengen schwarzen Dienstmädchenlook, dann wieder Blumenkinder oder ein paar Rowdies mit großen Zacken aus Schaumstoff an ihren Kostümen. Dieses „Plaza“ erinnert an Peter Handkes „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“, allerdings stehen bei dem neuen Abend der Junior Company der Älteren des Leipziger Tanztheaters (LTT) die Gruppen, die Gangs und nicht die einzelnen Figuren im Fokus.

Der Abend ist zugleich der der Einstieg von Clara Sjölin als künstlerische Leitung der Company, die über viele Jahre erfolgreich von Bettina Werner geleitet wurde. Die Choreografin und Tanzpädagogin hat in einem fließenden Übergang die Leitung Anfang des Jahres übernommen und ihre Arbeit mit den 14 bis 18jährigen nun auf der Bühne des Leipziger Schauspielhauses präsentiert.

Das LTT ist in Leipzig eine Institution mit einem einfachen Konzept: Tanz für alle mit verschiedensten Angeboten ab drei Jahren. Jedes Jahr präsentiert es an einem Wochenende im Schauspielhaus den Stand der Jugend- und Kindercompanys. Klassischer und zeitgenössischer Tanz organisiert wie Breitensport.

42 Tanzende zwischen 14 und 18 Jahren

„Plaza“ heißt das aktuelle Stück mit 42 Tanzenden. Die markanten Kostüme stammen von Gallanegra und auf die Bühne hat Marilena Georgantzi ein großes mit Plastikfolie halb verhangenes Stahlgerippe gestellt und den Jugendlichen eine große Stoffwurmcouch und eine fahrbare Pflanzen zur Verfügung gestellt. Sjölin beginnt zunächst mit dem großen Defilé. Von rechts marschieren die Jugendlichen auf die Bühne schlängeln sich nach hinten, um dann zu verschwinden. Im folgenden stellen die Gangs sich vor: die grünen pflanzlichen Hippies, die Faulenzer, die hippen Spaßköpfe, die materialistischen Handtaschenschwinger, die brav-strengen Gouvernanten und die agressiven Bullies und Punks.

Sie treffen aufeinander und was folgt ist ein fantasievoll durgestyltes Handgemenge zwischen Flirt und Prügel (in wunderbarer Zeitlupe), zwischen Dialog und kalter Schulter. Dazu wird musikalisch eine ganze Menge eingebracht: das Panorama reicht von Hildegard Knef über Kraftwerk bis zu Black Sabbath und SQÜRL. Mal lustig, mal düster, manchmal vermittelt über ein Radio auf der Bühne mit den altbekannten Rauschen zur Sendersuche.

Die Plaza wird zum Kennlern- und Gestaltungsort. Er ist die Welt, wo alle mit allen irgendwie klarkommen müssen. Auf Beschnuppern und Konfrontation folgt der Dialog, symbolisiert durch den Austausch von Kostümfragmenten. Alles durchmischt sich, die Handtasche kommt zum Rüpel, die grünen Blumenfäden landen beim Hipster und selbst die choreografischen Signature-Moves, etwa das gestrenge Marschieren der Schwarzgekleideten, wird von den anderen übernommen.

Clara Sjölin hat mit ihren Jugendlichen einen überzeugenden Start hingelegt und setzt ganz bewusst auf kollektive Formen, denn auf das Herausarbeiten von Soli. Alle sind gleichermaßen gefordert und werfen sich mit viel Verve und Energie in die Aufgaben und die vielen kleinen Details, die sie erarbeitet haben. Wenn am Ende das Anfangsdefilé wiederholt wird und in einem großen Kreis endet, sind alle Grenzen verwischt und der Plaza nun ein gemeinsamer Raum für alle. Ein fast schon utopisches Bild.

 

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