„Masken“ am Theater Plauen-Zwickau, hier mit der Choreografie von Sergei Vanaev

Kult und Maschinengewehr

Das Theater Plauen-Zwickau und seine „Masken“ von Mário Radačovský und Sergei Vanaev

Das sächsische Theatertreffen zeigt mit „Masken“ ein Doppeltanzstück mit Choreografien von Mário Radačovský und Sergei Vanaev. Mitunter bildgewaltige Sehnsüchte zwischen Masse und Individuum, zwischen Kult und Maschinengewehr.

Leipzig, 29/05/2024

Das sächsische Theatertreffen in Leipzig hatte nicht nur Sprechtheater, sondern auch Puppenspiel, einen Gesangsabend und sogar Tanz mit an Bord. Das Theater Zwickau-Plauen präsentierte dort seine Produktion „Masken“ mit Choreografien von Mário Radačovský und Sergei Vanaev, der seit 2022 dort die Tanzsparte leitet und zuvor 17 Jahre Chefchoreograf am Stadttheater Bremerhaven gewesen ist.

Kult vs. Individuum

Den Aufschlag macht Radačovský, seit 2013 künstlerischer Leiter des Ballett des Nationaltheaters in Brno, derd zuvor unter anderem am Nederlands Dans Theater und beim Ensemble Les Grands Balletts Canadiens getanzt hat. Seine 40 minütige Variante des Tanzes mit Masken hat etwas kultisches. Die Tanzenden tragen Kostüme, die vorne schwarz und hinten rot sind und zudem Masken, die an ihren Seiten zahlreiche Gesichter tragen unter denen das eigene nur als eines unter vielen hervortritt. Technisch gesehen ist es daher nicht mal eine Maske, aber die Idee dahinter ist klar. 

Mit Musik von Max Richter und Yann Thiersen, der durch seinen „Amelié“-Soundtrack einem breiteren Publikum bekannt geworden ist, sucht Radačovský nach der Reibung zwischen dem unbemaskten Individuum, hier vor allem die Tänzerin Kristina Kelly Zaidner und der Tänzer Davide Gentilini, und den maskierten Gruppen. Die beiden Individuen werfen sich in die rot dräuenden Räume, sie durchmessen sie schnell, als hätten sie sich verloren, und kommen schließlich im Pas de Deux zusammen. Das Ensemble treibt die beiden mal zusammen, mal auseinander oder nutzt den Raum zu gruppenhaften Selbstbeschäftigungen. Da bauen sie sich gleich am Anfang wie eine Wand gegen Zaidner auf, heben sie aus dem Pulk empor oder sitzen abezirkelt auf Stühlen, geometrisch über der Bühne verteilt. Das eher tragende Moment der Musik und die wenig überraschende Bewegungssprache mit etwas angestaubten Bewegungsrepertoire lassen hier allerdings noch keine Funken sprühen, gleichwohl hier und da originelle Ideen aufflackern. Am Ende liegen sich die beiden Protagonist*innen in den Armen zur bombastischen Hollywood-Musik von Hans Zimmer. Die Überraschung bleibt aber aus.

Todesmaskentanz

Deutlich mehr Funken weiß Sergei Vanaev mit seiner Masken-Variante zu schlagen, zumal sich der Abend rasch von seinem eigentlich harmonischen Startbild wegentwickelt. Seltsame weiße Geschöpfe versammeln sich da vor einer Art Monolith, der Erinnerungen an Stanley Kubricks „2001“ erweckt. Die Idee von Ursuppe steigt auf. Doch die Evolution kommt hier schnell an ihr Ende. In schwarzem Lack mit Nieten und weißer Totenkopfmaske (Kostüme für beide Stücke: Stephan Stanisic) sucht Minsu Kim dieses friedlebende Volk heim und verwandelt zu den Klängen von Ravels „Bolero“ in eine wahre Schattenarmee. 

Hinfort all das Weiche und Schwache! Ein gruseliger Siegeszug des faszinierenden Bösen. Immer mehr der in Todeskostümen Tanzenden bevölkern die Bühne, der Monolith entpuppt sich, nachdem er gedreht wurde, als Showtreppe für den Hexenmeister, der von dort aus seine imposanten Truppen lenkt und in stampfenden Techno-Beat („Cool“ im Afrojack Remix von Spencer & Hill) zu einer großen gemeinsamen gleichförmigen Tanznummer zwingt. Doch sie entkommen, entschlüpfen gegen Ende den Todesmasken, fast nackt und doch ausgeliefert. Eine Maschinengewehrsalve beendet diesen Tanz auf dem Vulkan.

Vanaev erschafft in diesen 45 Minuten nicht nur einen tänzerischen Rausch, sondern stellt dabei vor allem ganz nebenbei große Fragen, die sich politisch oder zumindest gesellschaftlich lesen lassen. Hinter all der großen Schau liegt eine Dramaturgie des Schreckens über Massendynamiken, den Aufstieg des Faschismus und die Organisation von Gewalt. Dabei nutzt er ein breites Ausdrucksspektrum seines durchaus auch akrobatisch eingestellten Ensembles und selbst der dumpfe Showtanz füllt sich im Rückblick mit Sinn. Ein bemerkenswerter Beitrag des Theaters Plauen-Zwickau.

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