Einmal um die Welt zum Glück nebenan

Mit „Cinderella“ erobert das Ballett des Theaters Plauen-Zwickau das Publikum im Sturm

Zwickau, 15/03/2010

„Zwickau tanzt“ – so hieß es am Wochenende, das Theater, in diesem Falle das Tanztheater mit seinem neuen Ballettdirektor, sucht neue Wege zum Publikum, bzw. zu Menschen, die zum Publikum werden könnten. Das Theater Plauen-Zwickau, ohnehin im Aufbruch mit dem neuen Generalintendanten Roland May, sucht nach Wegen, die es möglich machen Traditionen und Erneuerungen zu verknüpfen. Dazu muss man sich gegenseitig kennenlernen, Vertrauen aufbauen. Da ist so ein Projekt wie dieses Wochenende im Zeichen des Tanzes und des Tanzens für alle gerade richtig.

Torsten Händler, der neue Ballettdirektor, war viele Jahre erster Solist im Ballett der Staatsoper Berlin. Der mehrfach ausgezeichnete Tänzer und Choreograf weiß, nicht zuletzt durch seine außerordentlich erfolgreichen Arbeiten mit bis zu 100 Schülern der Staatlichen Ballettschule Berlin, mit älteren Tanzbegeisterten in Chemnitz, wie man Menschen in Bewegung bringen kann. Als Choreograf hat er in mehreren Kreationen unter Beweis gestellt, dass der Tanz das Publikum zutiefst bewegen und zugleich erfreuen und unterhalten kann. Zur Eröffnung des Zwickauer Tanzwochenendes mit Gastspielen aus Dresden und Berlin sowie Angeboten, sich selbst zu bewegen und bewegen zu lassen, präsentierte er eine Premiere, die mit Jubelrufen und großem Applaus gefeiert wurde. Sergej Prokofjews Dauerbrenner „Cinderella“, als Märchenballett eine Variante vom bekannten „Aschenputtel“, 1945 am Moskauer Bolschoi-Theater uraufgeführt, seitdem im Repertoire großer Kompanien, stand auf dem Programm.

Dass Händler für dieses respektable Handlungsballett in seiner Kompanie lediglich 13 Tänzerinnen und Tänzer zur Verfügung stehen, erwies sich als Glücksfall. Eine geschickt gestaltete Fassung, ein hochmotiviertes Ensemble, logistisch versiert, wenn es darum geht, blitzschnell von einer Rolle in die andere zu springen, präsentieren die ganze Geschichte und in genialer Weise gerade da, wo es nicht reicht, noch ein bisschen mehr. So sind Vater und Stiefmutter hier eine Person, Eduard Nicolae Taranu, ein athletischer Tänzer, steckt in Frauenkleidern, ist hin- und hergerissen zwischen den zwei zickigen Früchtchen, Anna Belioustova und Olga Shalaevskaya, und der verträumten Cinderella. Raus aus der Enge ihrer kleinen Welt wollen sie alle. Die Einladung zum Ball kommt gerade recht, nur für alle reicht's nicht und nur eine gute Fee, die grazil tanzende Maki Taketa, mit ihrem dienstbaren Gefolge kann helfen, dass aus dem Aschenputtel die Ballkönigin wird, in die sich der Prinz auch glatt verliebt.

Auf dem Fest beim König, der seinen Sohn durch Brautwahl in die Mannbarkeit schicken will, reicht's nicht fürs Personal. Unser Glück, denn da wo Prokofjew ein Moderato für Früchte und erfrischende Getränke geschrieben hat, beschert uns der Tänzer Sebastian Uske als König ein Kabinettstück schönster Charakterkomik, wenn er mit zwei übervollen Tabletts in einer Abfolge von Slapsticks das Servieren selbst übernimmt. Ansonsten gibt er den regierungsmüden Herrscher, dem die Krone zu schwer und der Mantel zu lang geworden ist wie eine Version vom alt gewordenen Kleinen Prinzen, der Charlie Chaplin verehrt, den seine inneren Sprungfedern aber immer noch auf lausbübisches Terrain werfen. Wunderbar die Reise mit seinem Sohn auf der Suche nach der Besitzerin jenes Tanzschuhs, den die unbekannte Schöne verlor. Der Prinz, Kojiro Suzuki, der nette Typ von nebenan, verträumt, verliebt und himmelhoch springend, umrundet die Welt im Eiltempo, um sein Glück ganz in der Nachbarschaft zu finden. Es ist ja auch das reine Tanzglück, wenn er mit der sensiblen, dabei doch kraftvollen Colombe Vanabelle als Cinderella zunächst in einer Traumsequenz, dann in echt zur Apotheose, einen Pas de deux tanzt. Ihr Tanz ist allerdings dann richtig Spitze, wenn sie die Spitzenschuhe wieder ausgezogen hat und ihre Höhenflüge auf halber Spitze absolviert.

In einer Vielzahl von Episoden sind Mihaela Roxana Dorus, Emma Harrington und Kathi Schmidt sowie David Bendl, Patryk Jakubcewicz und Vladislav Vlasov als Ballgäste, Feen, Schumacher, Spanier oder Orientalen in dieser Choreografie zu sehen, deren Stärken vornehmlich im Tanz liegen, wenn es darum geht, etliche Türen und Fenster am engen Horizont des Alltags weit zu öffnen, um frischen Wind aus der weiten Welt der Poesie hereinzulassen. Leonie Mohr und Hannes Hartmann haben einen großen Schrank auf die Bühne gestellt, auf der einen Seite das Jugendzimmer mit Schrankbett und Schüben voller Unordnung, auf der anderen Seite Teil der königlichen Wohnung mit Fächern für Regierungskram. In beiden Fällen geben die weit geöffneten Türen den Weg frei für Feen, Prinzen oder unbekannte Schöne, die man unbedingt einlassen sollte, und sie öffnen das Tor in die Welt, durch das man unbedingt tanzen sollte. Eine zusätzliche Dimension eröffnet Sergej Prokofjews Musik, deren dunkle Grundierung einerseits an die Zeit der Entstehung von 1941 bis 1944 erinnert, und für deren lichten Klangreichtum als Gegenentwurf zur Dunkelheit der Zeit andererseits sich das Philharmonische Orchester Plauen-Zwickau unter der Leitung von Georg-Christoph Sandmann voll ins Geschehen gibt. Sandmann ist zudem ein verlässlicher Anwalt des Tanzes und der Musik, was wesentlich zum Gelingen dieser Premiere beiträgt.

www.theater-plauen-zwickau.com

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