Omar Rajeh und sein „Dance is not for us“

Beirut und Basilikum

Omar Rajeh präsentiert „Dance is not for us“ auf der Euro-Scene

Mal ganz düster, mal ganz fröhlich: In „Dance is not for us“ lässt Omar Rajeh seine Erinnerungen an den Tanz im Libanon Revue passieren. Und jede*r kann etwas davon mitnehmen. Buchstäblich.

Leipzig, 13/11/2024

Dem Libanon geht es bekanntlich nicht gut. Handlungsfähige Regierungen gibt es schon lange nicht mehr, und spätestens als 2020 ein Frachtschiff mit Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut explodierte und große Schäden anrichtete, war die horrende Krise unübersehbar. Dass jetzt auch noch Bomben und Raketen ins Land fliegen, weil die Hisbollah Israel angreift, verschärft die Lage zusätzlich. Für den Tänzer, Choreografen und Kulturorganisator Omar Rajeh war allerdings schon 2020 Schluss, als er nach Lyon übersiedelte. 2002 hatte er im Libanon seine Compagnie Maqamat aufgebaut, hat 2004 die Beirut International Platform of Dance gegründet und 2017 die Citerne in Beirut, ein modulares Theater eröffnet. Gleichzeitig waren er und seine Kolleg*innen aktiv in den Protesten gegen die Repression.

Zwischen Lyon und Beirut

Seit 2020 ist das aber alles mehr oder weniger Geschichte. Seinen Abschied vom Tanz in Beirut hat er in dem autobiografischen Stück „Dance is not for us“ verarbeitet, das im Juni 2023, wiederum paradoxerweise, in Beirut Premiere hatte und jetzt während der Euro-Scene in der Schaubühne Lindenfels zu Gast war. Wie erzählt man sein Leben, oder besser, von seinem Leben, von seiner Kunst und ihrem Verlust, auf der Bühne, ohne in die Fallen der melancholischen Rückschau zu treten? Omar Rajeh entscheidet sich für eine radikale Dreiteilung des Abends und stellt diese Frage ganz an den Anfang.

Die Bühne ist leer bis auf ein paar ordentlich verteilte Stiegen Basilikum und einen rollbaren Schreibtisch. Was er da tippt erscheint nicht nur auf der Rückwand, sondern wird auch gleich szenisch umgesetzt. Rajeh lässt das Publikum sozusagen am kreativen Prozess teilhaben, am Finden der Form und kann gleichzeitig die ersten Geschichten erzählen: vom Garten seiner Großeltern, von den politischen Aktionen, von den Möglichkeiten von Tanz und seiner Realität davon. Es geht ihm um „dieses kleine Stück Leben“.

Emotionale Verdüsterung

Doch dann wird es düsterer, die Sprache verschwindet und Omar Rajeh lässt seinem Schmerz freien Lauf im Tanz. Mal dreht er sich, um Energie rauszulassen, dann werden sein Bewegungen ganz klein, mit den Fingern schreibt er in die Luft oder rennt in Slow Motion. Pure Emotionen abseits jeder narrativen Ebenen. All das Geschilderte will verarbeitet werden, muss raus und Tanz sagt hier in dem dunklen Raum mehr als tausend Worte. Doch neben der Verzweiflung und Dunkelheit ist da eben auch immer Energie, und selbst wenn er am Boden liegt, hämmert er noch mit den Fäusten auf das Parkett. Aufgeben ist keine Option.

Denn es geht ja weiter. Die Hoffnung stirbt zuletzt und Rajeh nimmt uns einmal mehr mit in den Garten seiner Großeltern und fängt an, das Basilikum zu verteilen. Jeder bekommt einen kleinen Topf mit. Es ist eine Reminiszenz an das Gute, das er auch erfahren hat, an die Gastfreundschaft, an das Positive, vielleicht auch Utopische. „Wir machen weiter“, verspricht er und straft damit den Titel des Stücks Lügen, denn natürlich ist Tanz immer auch für uns – wer auch immer das gerade ist.

 

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