Tanzabend „4 x Rousseau“. Tanz: Ensemble Cie. La Ronde

Tanzabend „4 x Rousseau“. Tanz: Ensemble Cie. La Ronde

Viermal Rousseau und zwei Glücksfälle

Schweizer Tanzkompanie Cie. La Ronde zeigt im Theater Winterthur „4 x Rousseau“

Cie. La Ronde setzt sich mit Jean-Jacques Rousseau auseinander, dem Denker, Philosophen, Komponisten, Individualisten und Vorreiter der Aufklärung.

Winterthur, 12/03/2024

Der erste Glücksfall ist die neu gegründete, ‚swiss based‘ Tanzkompanie Cie. La Ronde. Die 2020 von Cathy Marston – mittlerweile Ballettdirektorin am Opernhaus Zürich – und Ihsan Rustem ins Leben gerufene Gruppe, vereint vier Choreograf*innen und acht Tänzer*innen.

Auch in ihrer zweiten Produktion, „4 x Rousseau“, löst die Kompanie ihr Versprechen ein, gemeinsam ihre verschiedenen Erfahrungen zu teilen, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu unterstützen und mit verschiedenen Stilen zu experimentieren. Es ist ein kleines Projekt, angesiedelt zwischen freier Szene und etablierter Truppe. Hierarchien werden aufgeweicht, um Kreationen Platz zu machen. Alle Kompanie-Mitglieder leben in der Schweiz, sind aber auch international tätig und vernetzt. Sie sind erstklassige Tanzschaffende auf hohem künstlerischem Niveau.

Vier choreografische Handschriften

In „4 x Rousseau“ setzen sie sich thematisch mit dem Leben und Werk von Jean-Jacques Rousseau auseinander, dem Denker, Philosophen, Komponisten, Individualisten, Naturforscher und Vorreiter der Aufklärung. In vier Kapiteln lassen sie sich von Rousseaus bekanntesten Werken inspirieren. Die Choreografien gehen fließend ineinander über, nur anhand der verschiedenen Tanzstile, von klassisch, zeitgenössisch und modern bis Hip-Hop, lassen sich die künstlerischen Handschriften der Choreograf*innen ausmachen. Eine gemeinsame, stückübergreifende Musikkomposition (Alexandre Dai Castaing) sowie Bühnenbild und Kostüme (René Salazar) führen die Interpretationen zu einer abendfüllenden Inszenierung zusammen. Musik und Dekor bleiben relativ dezent, denn hier hat ganz der Tanz das Sagen. 

Luca Signoretti taucht in seiner leicht verträumten Choreografie in die Romantik und die Verbundenheit Rousseaus mit der Tier- und Pflanzenwelt ein. Er nimmt Bezug auf das Balzverhalten von Vögeln und schwirrenden Schmetterlingen. Die Tänzer*innen steigern sich nach langsamem Angehen zu immer mehr Dynamik, während ein imaginärer Rousseau in einer Telefonzelle gestikuliert. Signorettis Stil ist zeitgenössisch und eher abstrakt. Ein weiterer Rousseau mit Blumenschmuck lässt einen Koffer auf der Bühne zurück, was zur zweiten Choreografie überführt. 

Aus Zwängen befreit

Sarafina Beck, ehemals ‚nur‘ Tänzerin in der Kompanie, wirkt erstmals als Choreografin. Sie tritt an die freigewordene Stelle der nun in Zürich vollbeschäftigten Cathy Marston. Beck, die nach wie vor auch auf der Bühne stark präsent ist, versteht sich als Stimme ihrer Generation, ihre ‚Philosph*innen‘ sind die Rapper. Eher zackig und zu vielen musikalischen Beats zeigen ihre Tänzer*innen vor allem ekstatische Einzelfiguren, während andere sich mit Büchern aus dem liegenden Koffer beschäftigten: mehr Tanztheater und zeitweise humorvoll, wenn zum Beispiel die Tanzenden kopfüber im Bücherkoffer stecken, als Ganzes aber noch etwas unzusammenhängend. ‚Ihr‘ Rousseau befreit sich aus Zwängen, respektive alten Kostümen. 

Die Übergänge geschehen fast unbemerkt, so sind die Zuweisungen zu den einzelnen Choreografien nicht immer eindeutig. Das liegt auch an der Gesamtdramaturgie des Abends, sie hält die Inszenierung zusammen und wechselt von schnell und laut zu nachdenklichen und ruhigeren Momenten.

Von Machtmissbrauch und wechselnden Leidenschaften

Im Teil von Ihsan Rustem ist Rousseau ein großartiger Tänzer mit nacktem Oberkörper (der etwas karge Programmzettel lässt ein persönliches Erkennen und Nennen der Tänzer*innen nicht zu). Der Stil ist nun eher neoklassisch bis zeitgenössisch. Der erste Satz von Rousseaus Vom Gesellschaftsvertrag interessierte Rustem. Roussau steht mit den Gesetzeshütern in Konflikt. Es geht um Macht und Machtmissbrauch. Die eindrückliche Choreografie endet in einem in jeder Hinsicht berührendem Männerduett. 

Bei Caroline Finn, die neben Ishan Rustem und Cathy Marston eine der Mitbegründer*innen der Cie. La Ronde ist, steht Rousseau viermal in schwarzen Kostümen auf der Bühne. Die Tänzer zeigen in schönen Quartetten voller Emotionen und großen Bewegungen die Rastlosigkeit und wechselnden Leidenschaften von Rousseau auf. Bei Finn erscheint seine Frau Thérèse und weist damit auf Rousseaus schwierigen Charakter im Zusammenleben hin, zu lesen in seinem autobiografischen Werk Die Bekenntnisse

Glücksfall Winterthur

Der zweite Glücksfall ist die Zusammenarbeit mit dem Theater Winterthur. Zum zweiten Mal konnte die Cie. La Ronde auf die Koproduktion mit dem Theater und damit auf hervorragende Proben- und Aufführungsmöglichkeiten zählen. Auch für das Theater ist die Zusammenarbeit ein großer Gewinn. Zu hoffen ist dank des Erfolgs und der Zufriedenheit auf beiden Seiten auf eine weitere Zusammenarbeit. Vorerst geht die kleine, feine Kompanie auf eine kurze Schweizer Tournee. Nicht verpassen!

 

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