Xenia Wiest
Xenia Wiest

Ungewollt

Was ist da los in Schwerin? Ein Kommentar von Thomas Schmidt zum Rauswurf von Xenia Wiest

Mit dem Arbeitsverbot für die Schweriner Tanzdirektorin Xenia Wiest schwächt der Intendant Hans-Georg Wegner nicht nur die Tanzsparte, er schadet dem Theater und sich selbst.

Schwerin, 28/06/2024

Von Thomas Schmidt

Am Schweriner Theater klebt ein Fluch. Der letzte Intendant wurde von den Mitarbeiter*innen verjagt und von der Politik fallen gelassen, der aktuelle Intendant greift nach Vorsichtsmaßnahmen und gerne auch zu juristischen Mitteln, um seine Macht zu stabilisieren. Kritiker*innen aus dem eigenen Haus, wie Tanzdirektorin Xenia Wiest, die sich gegen dessen Eingriffe in ein fein abgestimmtes und erfolgreiches Gesundheitsmanagement wehren, werden mundtot gemacht und verlieren über Nacht ihre Arbeit. 

Dass das Arbeitsverbot Xenia Wiests allerdings von langer Hand geplant worden sein muss, davon zeugen die vielen Abmahnungen, die Hans-Georg Wegner seiner Tanzdirektorin in den letzten Monaten ausgesprochen hat. Meist waren es kleinere Versäumnisse, die anstatt durch Gespräche durch juristische Mittel bestraft wurden. Zuletzt konnte Wegner offensichtlich nicht mehr ertragen, dass sich Xenia Wiest an ihre Zuschauer*innen mit der Bitte wandte, eine Petition für die Weiterbeschäftigung ihres Physiotherapeuten zu unterschreiben. 

Knackpunkt Gesundheitsmanagement

Dabei spricht weder vertraglich noch organisational etwas dagegen. Der Arbeitsvertrag einer Spartendirektorin erlaubt sehr wohl den direkten Kontakt zu den Stakeholdern und den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen. Selbst der Deutsche Bühnenverein hat in dem, vergangene Woche von der Theater-Gewerkschaft GDBA gekündigten, Tarifvertragsmodell des NV-Bühne die Aufhebung der Schweigsamkeit nach innen oder außen nicht als juristisch verwerflich vorgesehen. Also hat Xenia Wiest die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente und Mittel genutzt, um auf das gravierende Problem aufmerksam zu machen. Tänzer*innen benötigen eine regelmäßige physiotherapeutische und gesundheits-prophylaktische Betreuung. Wiest hat dies bei ihrer Mentorin am Staatsballett Berlin gelernt und auf ihre Tanzcompany X angewandt. Damit ist es ihr gelungen, dass ihre Tänzerinnen sowohl im Ballettsaal wie auch auf der Bühne verletzungsfrei geblieben sind, was ziemlich einmalig für den deutschen Tanzbetrieb sein muss.

Für Wiest steht die Gesundheit jeder ihrer Tänzer*innen an erster Stelle. Sie zögerte nicht eine Sekunde, ihren eigenen Job für die Gesundheit ihrer Company zu riskieren. Dafür bestrafte sie Wegner ohne Vorankündigung nun mit einem Arbeitsverbot. Am Dienstag wurde sie zu einem ganz „normalen“ Gespräch gebeten, gesprochen wurde mit ihr jedoch nicht. Sie erhielt ein Schriftstück, mit dem ihr mitgeteilt wurde, dass sie ab sofort von der Arbeit freigestellt wird. Das scheint der Umgang am Schweriner Theater zu sein, um kritische Köpfe mundtot zu machen. Mit diesem Arbeitsverbot wartete Wegner klugerweise, bis die Galavorstellungen am vergangenen Wochenende erfolgreich über die Bühne gelaufen waren und mit denen er sich der Politik als veritabler Intendant präsentieren konnte. Anschließend ließen er und auch die Politik, wie es scheint, die engagierte Ballettdirektorin fallen. Beinahe wie in einem amerikanischen Film, kam die Aufforderung zum Räumen des Büros von der Pförtnerin. Das damit verbundene Hausverbot im Gespräch mit seiner Tanzdirektorin auszusprechen, dazu hatte Wegner leider keine Chuzpe. 

Tanz hat die kleinste Lobby

Das Problem ist ein strukturelles. Obwohl der Tanz und das Ballett zu den beliebtesten Sparten in den Stadttheatern gehören, haben die Tänzer*innen und ihre Choreograf*innen am Ende die kleinste Lobby. Kein Intendant würde sich wagen, eine erfolgreiche Schauspiel- oder Operndirektor*in zu entlassen, weil dann ein Raunen durch die gesamte Theaterlandschaft gehen würde. 

Der Tanz ist schon immer das Stiefkind des deutschen Stadttheatersystems gewesen und wurde bei den meisten Spartenschließungen und Fusionen der letzten 30 Jahre zumeist deutlich verkleinert wenn nicht sogar geopfert. Die Tanzlobby ist sehr engagiert, eine feine, jedoch überschaubare Gruppe von wunderbaren Menschen, die sich dem Tanz als professionals oder Zuschauer*innen verschrieben haben. Auch die Politik liebte die Galavorstellungen, die Xenia Wiest in Schwerin choreografierte, und doch bleibt der Tanz seit je her das Stiefkind, das am Tisch der Theaterleiter nur geduldet wird. Kein einziges Theater in Deutschland wird von einer Choreograf*in geleitet. Damit fängt die strukturelle Asymmetrie zwischen Oper und Schauspiel auf der einen und Tanz auf der anderen Seite an. Warum eigentlich nicht?

In keinem einzigen deutschen Theater sitzt die Tanzchef*in in der engeren Theaterleitung der engsten drei bis vier Direktor*innen die die Geschicke des Theaters eigentlich leiten.

Warum bewerben sich Tanzchef*innen, Choreograf*innen und Tanzkurator*innen eigentlich so selten auf eine Intendanz? Womöglich fehlt ihnen die Hybris, die manche Schauspiel- oder Opernregisseur*innen zu haben glauben, den Überblick über die Geschicke aller Sparten und des Theatermanagements im Blick zu behalten. Dabei müssen auch sie sich Verstärkung holen: Die Spartendirektor*innen, die die eigentlichen künstlerischen Zylinder im Theater-Motor sind. 

Ohne Zweifel, der Schweriner Theater-Motor wird nun beginnen zu stottern. Es sei denn.... Es sei denn, der Intendant kehrt zu einer Weisheit zurück, die ihm gut zu Gesichte stehen würde und nimmt das Arbeitsverbot zurück. Eine Aussöhnung und ein offenes Gespräch sollten helfen, die Basis einer guten Zusammenarbeit zu schaffen. Fingers crossed!

 

Der Autor ist Professor für Theater- und Orchestermanagement an der Hochschule für Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind die die Reform des deutschen Kultursystems, insbesondere des Theatersystems, die Neu-Organisation/ Organisationsentwicklung der Theater wie auch der damit korrespondierenden Kulturpolitik sowie die Ausbildung von Leitungsnachwuchs für die Theater, Companies und Festivals. 

Kommentare


Der Artikel ist voller Falschinformationen und Mutmaßungen. Wenn man lediglich mal eine Aufführung besucht hat oder einfach dem Ballett und seiner ehemaligen Chefin wohlgesonnen ist, sollte man sich sehr zurückhalten mit Anschuldigungen auf der einen und Glorifizierungen und Lobpreisungen auf der anderen Seite. Denn das entspricht nicht den Tatsachen. Vielleicht sollte sich der Autor stattdessen lieber einmal fragen, warum so viele Tänzer:innen die Schweriner Ballettcompany in den letzten Jahren verlassen haben...


Definitely helps to understand why and how the Mercklburgische Staatstheater had been always a joke in the Ballet world, with such a huge payroll. Mr Wegner should get fire

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