Mark McClain wird neuer Ballettchef des Nationaltheaters
Erst einmal Boden unter die Füße. Mannheims neuer Ballettchef Mark McClain sucht und plant.
Philippe Talard hat den Braten anscheinend bereits gerochen, bevor von ihm der Rauch aufgestiegen ist: Als der Mannheimer Ballettchef mit den Vorbereitungen zu seinem neusten Stück „Sekai“ begonnen hat, in dem er die Gleichwertigkeit aller Kulturen und Menschen proklamiert, da gab es das Wort „Leitkultur“ noch nicht. Talard lässt in der gut einstündigen Choreografie stellvertretend für alle Kulturen die asiatische, afrikanische und europäische aufeinander treffen, die er durch die Tänzerin Izumi Shuto sowie die Tänzer Jean Kouassi und Eric Trottier personalisiert.
„Sekai“ kommt aus dem Japanischen und bedeutet „Welt“. Armand Amar hat dafür denn auch eine Art von Weltmusik komponiert, die vom Band und drei live auf der Bühne spielenden Perkussionisten wie eine massive akustische Beschwörung in den Saal raunt, dröhnt und kracht, buddhistische Gesänge wabern – es wird einem ganz feierlich zu Mute. Doch irgendwann verliert die Musik ihr Rückgrat und verkommt zum rhythmisch beschwingten Dudeln.
Ähnlich ergeht es auch der Choreografie, die nach etwa der Hälfte des Abends anmutet, als hätte Talard das Interesse an ihr verloren. Anfangs wirkt alles noch sehr ambitioniert. Die drei Solisten, wie das achtköpfige Corps von Lena Lukjanova in lange violette Fähnchen (Damen) und Bermudas (Herren) gekleidet, graben gleichsam ihre ethnischen Wurzeln aus, indem sie stilisierte Motionen ihrer Folklore zelebrieren. Sie begegnen sich, stützen einander, finden sich zu synchronen Aktionen, die sich bald wieder in die, nun leicht verwandelten, ursprünglichen Bewegungen auflösen.
Wenn die Solisten ihr Teil getan haben, kommt die Gruppe auf die Bühne und führt vermutlich das Ergebnis dieses Verschmelzungsprozesses vor – multikultureller Tanz, der sich jedoch schnell als Verflachung der einst charakteristischen Eigenheiten entpuppt. Dann sind wieder die Solisten an der Reihe. Lukjanovas Bühnenbild der unterschiedlich hohen Türmchen wird verändert, indem seine violetten Türmchen zu Paravents und Matten entfaltet, aufgestellt und auf den Boden gelegt werden. Das hat jedoch kaum eine Wirkung auf den Tanz, der mehr und mehr banal und gleichförmig wird, sich in den immer gleichen Armschwüngen, auf Oberschenkel gestützten Händen, Sprüngen und Drehungen erschöpft und in den Ensembles schließlich sogar ins revuehafte abgleitet.
Talard kann, das hat er oft genug bewiesen, wunderschöne Posen arrangieren und berückende Stimmungen evozieren. Das gelingt ihm auch in diesem Stück zuweilen, sodass man durchaus über einige Strecken sein Vergnügen an ihm haben kann. Zumal er in den drei Solisten, vor allem in dem urigen Kouassi von der Elfenbeinküste, fabelhafte Interpreten einsetzt. Aber wenn er selbst, um die Aufführung zu retten, wegen des verletzten Trottier einspringen muss, wie in Folgevorstellungen geschehen, dann offenbart sein eigenes, zwangsläufiges Unvermögen schonungslos die geringe künstlerische Substanz dieses Werkes das seinem Anspruch kaum je gerecht wird.
Was sich diese Choreografie zu ihrem Ende hin leistet, um das Interesse der Zuschauer wach zu halten, wie sie mit equilibristischen Kunststückchen und Chichi-Gehabe um ihre Gunst buhlt, das ist ziemlich ernüchternd. Aber Talard hat ein Einsehen – am Ende sind die Kulturen nicht Eins, sondern ziehen sich wieder in ihre Heimat zurück.
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