Mit dem Märzhasen zur Hip Hop-Party
Nina Kurzeja: „Alice im Iconland“ im Theaterhaus Stuttgart
Nina Kurzejas und Katja Prussas' Tanzstück „MM“ im Stuttgarter Theaterhaus
Die Show beginnt, dramaturgisch korrekt, um 20.15 Uhr, sozusagen direkt nach der Tagesschau. Nur sitzt das Publikum nicht vor dem Gerät, sondern im Fernsehstudio, das im kleinen Saal des Stuttgarter Theaterhauses eingerichtet wurde. Auf dem Programm steht die Uraufführung „MM – Die ultimative Quiz-Tanzshow“ von Katja Prussas (Regie) und Nina Kurzeja (Choreografie). Die Kandidatin ist die verhuschte Dolores Becker (Pilar Murube), als Quizmaster fungiert der Schauspieler Christian A. Koch, in seinem langweilig-blauen Anzug und mit seinem routinierten Moderator-Gehabe etwa so charismatisch wie unser aller Max Schautzer. Es geht darum, zehn Fragen zu Marilyn Monroe richtig zu beantworten, um einen Fernseher zu gewinnen.
Was zunächst nur wie ein weiterer Beitrag zum sattsam bekannten, „neuen Verständnis“ des vor vierzig Jahren gestorbenen Sex-Symbols des amerikanischen Films anmutet, das entwickelt sich bald zu einer Art Hommage an seine wirklichen Fans, die der Monroe in echter Liebe anhängen. Die Kandidatin kennt selbstverständlich alle Antworten und scheint sich dem Gewinn in Windeseile zu nähern. Aber gewisse Schlüsselwörter in den Fragen lassen ihre Gedanken abschweifen und sich beinahe in den Gegenstand ihrer Verehrung verwandeln. Sie beginnt Stimmungen aus Filmen zu tanzen und das, was sie aus Interviews mit der Monroe als deren eigentliche Wahrheit herausgehört zu haben glaubt.
Das sind sehr sanfte, weiche, intensive, in sich gekehrte Bewegungsfolgen, nichts weniger als spektakulär oder etwa gar erotisch. Pilar Murube bekommt diese Stimmen nicht mehr aus dem Kopf, die bei der Erwähnung der Jugend ihres Idols und seiner Eltern, ihrer Probleme mit dem Ruhm und des nicht wirklich geliebt Werdens erklingen, und sie will sie wohl auch nicht überhören. Der Quizmaster versucht verzweifelt, sie in die Wirklichkeit zurückzuholen, um mit seiner Sendung fortfahren zu können, aber irgendwann ist Dolores Becker endgültig in Marilyn Monroe verschwunden. Erst als aus dem Radio die Nachricht von deren Tod zu hören ist, stülpt sie sich eine blonde Perücke über und posiert in jenem berühmten, weißen Kleid aus dem Film „Das verflixte siebte Jahr“.
Die Kandidatin gewinnt zwar den Preis nicht, aber sie beschämt mit ihrer schlichten Liebe und Anteilnahme die Geschäftemacherei mit der Monroe. Mit wenigen Requisiten aus den Sechzigern und einer von Roderik Vanderstraeten arrangierten Klangkulisse aus einschlägiger Musik und originalen Soundtracks schaffen Prussas und Kurzeja eine unaufdringlich-authentische Atmosphäre, in der sich Pilar Murube, wie Nina Kurzeja durch ihre häufige Mitwirkung beim Marco-Santi-Danse-Ensemble bekannt, erneut als eine beeindruckende Bühnenpersönlichkeit erweist.
Ihr werden allerdings durch die lichte, unprätentiöse Choreografie viele Möglichkeiten zu einer eigenen Interpretation geboten, die sie auch weidlich nutzt. Dieses intime Kammerspiel scheint überhaupt das Ergebnis einer harmonischen Ensemblearbeit zu sein, so rund und schlüssig, wie es während seiner knapp einstündigen Spielzeit anzuschauen ist. Besonders bemerkenswert, dass Nina Kurzja schon bei ihrer ersten Choreografie zu einer eigenen Form gefunden hat, die nur wenige Santi-Einflüsse erkennen lässt. Von ihr kann man noch einiges erwarten.
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