Von ansteckender Gutgelauntheit

Kurt Weills „Zaubernacht“ beim Stuttgarter Musikfest

oe
Stuttgart, 02/09/2010

Und Bregenz – war da nichts? Immerhin laut tanznetz vom 6. August 2004 eine Aufführung von Kurt Weills Theateropus eins bei den Bregenzer Festspielen, die in jenem Jahr um das Schaffen des „Dreigroschenoper“-Komponisten zentriert waren (mein Gott, das ist nun auch schon wieder sechs Jahre her – und erinnert daran, dass wir in ein paar Monaten das „Zehnjährige“ des koeglerjournal feiern können).

Bereits damals also eine Aufführung der Kinderpantomime „Die Zaubernacht“ aus dem Jahr 1922 (Weill war gerade zweiundzwanzig) durch die St. Pöltener dancecompany von Nicolas Musin (was ist aus ihnen geworden?) als Gastspiel bei den Bregenzer Festspielen. Es stimmt also nicht, wenn es im Programmheft der Produktion im Rahmen des Stuttgarter Musikfestes etwas vollmundig heißt „Weltweit erste Aufführung seit der Berliner Premiere 1922“, selbst wenn deren superlativistischer Anspruch dann in der nächsten Zeile etwas eingeschränkt wird („Erste Aufführung nach der Kurt Weill Critical Edition“). Denn außer Bregenz hatte es die „Zaubernacht“ inzwischen auch schon in Köln (in der Choreografie von Jochen Ulrich) gegeben, wovon sogar eine CD mit dem Ensemble Contrasts unter der Leitung von Celso Antunes als Koproduktion von Capriccio und WDR aus dem Jahr 2002 existiert (unter der Nummer Capriccio / WDR 67 011; es handelt sich dabei um die musikalische Rekonstruktion von Meirion Bowen, die 2000 entstand, fünf Jahre vor dem Fund der Original-Orchesterstimmen in einem Safe der Universität Yale, auf denen nun die Rekonstruktion der Originalpartitur beruht).

Doch wie dem auch sei: was sich da im Stuttgarter Theaterhaus in der einstündigen pausenlosen Produktion von Nina Kurzeja (Leitung, Konzept, Regie, Choreografie) und Bernhard Eusterschulte (Bühnenbild, Dramaturgie) mit ihrer technischen Equipe und ihrer handverlesenen Tänzer- (plus Sängerin-)Kompanie nebst den zehn Musikern des Arte Ensemble Hannover tat, war allemal den Festspielaufwand wert – vor allen wegen der hinreißenden Musik des damaligen Twen Kurt Weill am Anfang seiner Berliner Karriere. In den rund zwei Dutzend kurzweiligen Nummern der kammermusikalisch aufbereiteten Partitur, dieser nahtlosen Folge von Instrumental- und Sängerpiecen, jagt eine Nummer die andere – darunter Walzer, Märsche, Gavotten, Rezitative und Furiosi, teilweise mit jazzigen Akzenten versehen (Charleston!). Das peitscht immer rhythmisch voran, treibt, charakterisiert die Figuren nicht zuletzt durch ihre fetzigen Kostüme und fordert direkt dazu heraus, in Bewegung übersetzt zu werden: eine unwiderstehliche suggestive Evokation der sprichwörtlichen Berliner „roaring twenties“, die geradezu zwanghaft in die Glieder geht – und sich mühelos neben den einschlägigen Klängen etwa von Hindemith, Krenek und Schönberg behaupten kann.

Nicht ganz einfach, dieses nächtliche Puppenstuben-Erwachen, librettomäßig eigentlich noch ganz der „Coppélia“-, „Nussknacker“- und „Puppenfee“-Tradition verhaftet, der Generation der Harry-Potter-Fans schmackhaft zu machen. Doch das ist der Lady aus dem Stuttgarter Ballett-Off wahrlich zauberhaft und ungemein einfallsreich gelungen. Sie hat sich dafür einen eigenen tänzerisch-pantomimischen Groteskstil ausgedacht hat, den sie mit viel Bewegungswitz praktiziert, unterstützt von ihrer Acht-Tänzer-Crew, die sich vielleicht, wenn sie, wie gewünscht, zusammenbliebe, den Namen Nina-Kurzwaren-Team zulegen könnte. Die machen das so famos, dass man sich gern von ihrer Gutgelauntheit anstecken lässt und Mühe hat, die eigenen Zappelglieder an der Kandare zu halten.

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