Stefan Haufe

Auszeit, um künstlerisch aufzutanken

Lüneburg, 22/04/2005

Nach 12 Jahren als Ballettchef in Nordhausen (1992-96) und Schwerin (1996-2004) hat sich der heute 42-jährige Stefan Haufe eine Auszeit verschrieben. „Es kann ein mörderisch werden, wenn man sich in seinem Ehrgeiz unter ständigen Druck setzt und zugleich vom Theaterbetrieb ohne Atempause gefordert wird“. Haufe zog die Konsequenz und kündigte zum Ende der vergangenen Spielzeit – trotz gewisser Existenzängste. Bis dahin hatte er in Schwerin mit einem verhältnismäßig kleinen Ensemble (16-18 Tänzer/innen) erfolgreich ein breites Repertoire eigener und Gastproduktionen erarbeitet. 1998 wurde ihm dafür der Conrad-Ekhof-Preis der Gesellschaft der Freunde des Mecklenburgischen Staatstheaters verliehen. Jetzt arbeitet er als freier Choreograph, was bedeutet, er muss Gastengagements an Land ziehen. Ein hartes Brot, wie er schnell merkte. Zwei aussichtsreiche Aufgaben, die auch Geld gebracht hätten, zerschlugen sich. Geblieben sind bisher ein Teilballettabend am Gießener Theater, der kürzlich Premiere hatte, und die choreographische Mitarbeit an einer „Hochzeit des Figaro“ in Kiel.

„Da bin ich vollkommen ins Blaue hineingegangen“, schildert Haufe den Start ins „Freie“, „ich hatte vorher keine Zeit, mich darauf vorzubereiten.“ Im Herbst 2004 sei er mit seinem Kleinbus auf Bewerbungstour gegangen. „Das ging bis in die Schweiz.“ Ohne direkten Erfolg. Alle bisherigen Anfragen kamen kurzfristig. Was ihn nicht daran hindert, sich weiter gezielt zu bewerben. Sein Spektrum möchte er über die Choreographie hinaus erweitern mit der Regie in Oper, Operette, Musical. In seiner letzten Schweriner Spielzeit inszenierte er bereits Glucks „Orpheus und Eurydike“ und den anspruchsvollen Opernball des Hauses.

Den mehr und mehr ansteigenden Druck erklärt er im Nachhinein mit ungenügender Aufgabenverteilung – der Ballettdirektor macht (fast) alles - und daraus resultierendem ständigen Zeitmangel. „Am Anfang merkt man das nicht so stark, da sprudelt man von Ideen über. In der ersten Spielzeit habe ich sehr viel produziert“, erinnert er sich. Dann kam der Strawinsky-Abend mit Sacre, Petruschka und Nachtigall: „Da habe ich mich verhoben“, meint er im Rückblick. Oft werde im Theateralltag nicht berücksichtigt, dass der schöpferische Akt der Choreographie sehr zeitaufwändig sei, jeder Schritt neu einstudiert werden müsse. „Meine Faustregel ist: Für zehn Minuten brauche ich bei laufendem Spielbetrieb, also mit Abendvorstellungen und Durchlaufproben anderer Stücke, eine Woche.“ Zu wenig Zeit verhinderte oft den letzten Schliff an seinen Produktionen wie Don Quixote, was ihn zunehmend frustrierte.

In der siebten Saison spitzte sich die Lage zu, er merkte, es ging nicht mehr. „Da bin ich zum Chef gegangen und habe gesagt, ich mag nicht mehr.“ Manchmal denkt er darüber nach, was er während seiner Zeit am Schweriner Staatstheater hätte anders machen können. „In manchen Situationen, etwa bei Personalentscheidungen, hätte ich wohl härter sein müssen.“ Bedauern über seinen temporären Absprung empfindet er dennoch nicht, zumal ihm klar ist: „Damals musste ich aus Eigenschutz diesen Schritt machen“. Er fühlt sich befreit, hat neue Kraft tanken, neue Ideen entwickeln können. Jetzt sieht sich wieder nach einem festen Engagement um, die kontinuierliche Arbeit mit einem Ensemble liegt ihm am Herzen.

 

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