Glänzende Wiederaufnahme von „Romeo und Julia“

Debuts von Ilana Werner und Karen Azatyan

München, 11/11/2008

Welch eine Vorbereitung! Am Sonntag, drei Tage, bevor am 12. November mit einer Gala gefeiert wird, dass John Crankos „Romeo und Julia“ dann seit genau 40 Jahren in München auf dem Spielplan steht, tanzte das Bayerische Staatsballett gleich zwei Vorstellungen dieser Shakespeare-Adaption, die zu Recht zu den Säulen des Ballett-Repertoires zählt, und zwar die 226. und 227.!

Dazu, dass diese Choreografie nie zu altern scheint, trugen auch die wohl vorbereiteten Debuts der jungen Ilana Werner und Karen Azatyans in den Titelrollen bei, beide noch Gruppentänzer. Welch ein Einstieg, welche Frische in der hervorragend einstudierten Wiederaufnahme-Vorstellung am Nachmittag! Das in der anfänglichen Straßenschlacht wie auch später in den Faschingsszenen vor Spielfreude sprühende Ensemble, das beim stolzen Ball der Capulets auch die aristokratische Gesellschaft und ihre gravitätisch-drohende Wucht gebührend zu verkörpern wusste, war eine sichere Basis. Spitzenkönner wie Tigran Mikayelyan als Mercutio, Irene Steinbeißer als Julias Amme und Peter Jolesch in seiner Doppelrolle als Herzog von Verona und Pater Lorenzo waren zusätzliche Stützen. Und Ilana Werner bringt als Voraussetzungen für ihren Erfolg vieles mit: neben guter Technik ein schönes Gesicht, das an Botticellis Venus denken lässt, ideale Proportionen und innere Lebendigkeit.

In der ersten Szene mit ihrer Mutter (Silvia Confalonieri) und der Amme spielte sie temperamentvoll und akzentuierte mit schnellen Füßen Julias Mädchenhaftigkeit. Gerade 21 Jahre alt geworden, berührte sie, auch in der Ruhe ausdrucksstark, sofort. Karen Azatayan als Romeo gefiel durch Akzentsicherheit und ruhige Natürlichkeit, hatte im Trio mit Benvolio (Javier Amo Gonzales) und Mercutio nur eine kleine Unsicherheit in den Double-Tours und agierte bei seiner Begegnung mit Julia eine Spur zu deutlich, zeigte sich aber im Pas de deux mit ihr auch bei den Hebungen so sicher, als würde er diese Rolle zum 20. Mal tanzen. Ilana Werner, in Julias neuem Kleid jugendlich strahlend, zeigte in ihrer Variation bestechend schöne Arabesken und nuancierte ihren Pas de deux mit Romeo gut, doch ohne letzte Raffinesse. Im Balkon-Pas-de-deux, als Karen Azatyans Romeo sie und das Publikum mit Temperament und Sprungkraft beeindruckte, füllte sie ihre Extensionen schön mit Emotionen. Sicher wird sie noch dahin kommen, dass sie die Musik ganz ausfüllt und ihrerseits vergrößert, wenn sie in späteren Vorstellungen mehr Zeit fühlt und bewusst zu Atem kommt.

Beide Debutanten verkörperten schon jetzt ein Paar, das mit Schwung, Impulsivität und Ausstrahlung die Herzen des Publikums gewann. Mit gewinnender gedanklicher Wachheit bewegten sie sich auch durch den 2. Akt, bis sie sich nach der Hochzeitsnacht mit einem Abschieds-Pas-de-deux voneinander trennen. Dabei gefiel sie mit schöner Linie und luftigen Port de bras, er dadurch, wie er mit Kraft und Eleganz führte – beide hochdynamisch! Auch im Folgenden zeigte Ilana Werner ihr Talent: Bei der Rückkehr von Pater Lorenzo agierte sie sparsam und sicher im Timing, tanzte mit klar akzentuierter Ausdrucksstärke, wie Julia das Gift trinkt und „vorläufig“ stirbt. Karen Azatyan gestaltete nach dem anmutigen Auftritt der Lilienmädchen und Julias Bestattung Romeos Rückkehr nach Verona aufregend und entfaltete nach der Tötung des Paris sogar mit Julias „totem“ Körper eindringliche Dramatik. Julias Erwachen, deren Selbsttötung angesichts der Leiche Romeos und deren Sterben spielte Ilana Werner in ihrer Mädchenhaftigkeit ergreifend.

Sie hatte mit Maxim Chashchegorov als Paris einen dritten Debutanten an ihrer Seite, der gelassen und selbstbewusst auftrat, die richtige Haltung fand und durchgehend gut präsent war. Auch ein Erster Solist debütierte: Cyril Pierre verkörperte Tybalt kraftvoll und prägte die Rolle des imposanten Exponenten familiären Dünkels sehr markant. Er könnte sie mit etwas mehr anfänglicher Verhaltenheit noch wirksamer gestalten. Dann käme nämlich in Tybalts tollen Gefechten mit Mercutio und Romeo sowie seiner Raserei, die er bis zu dessen Verröcheln nach Romeos verhängnisvoller Rache so intensiv zeigte, der dämonische Hass mehr aus innerer Spannung und hier geradezu animalisch zum Ausbruch. Das Bayerische Staatsorchester trug unter der Leitung von Valery Ovsianikov, in seinem Tempo einfühlsam die Tänzer unterstützend, mit Zartheit und Pathos gleichermaßen zu einer mitreißenden Vorstellung bei.

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