Nacho Duato beeindruckt mit thematischem Hard Stuff
Drogen und Folter beim Gastspiel der Compañia Nacional de Danza
Tanz in einem schon überirdischen musikalischen Fluss, Tänzer, die direkt aus dem Olymp der Tanzkunst herabgestiegen scheinen - und das Prinzregententheater im Euphorie-Taumel. Die Madrider Compania Nacional de Danza, die sich unter der Leitung von Nacho Duato ab 1990 zur Modern-Dance-Weltelite hochtanzte, lieferte zur Halbzeit von Münchens Dance-Biennale einen Glanzpunkt. Dynamisch, sinnlich, charismatisch waren seine Stücke schon zu seiner Zeit als Hauschoreograf des Nederlands Dance Theaters. Jetzt sind seine Bewegungen - was für eine Fantasie hat dieser Mann! - noch komplexer, noch raffinierter geworden. Aber nicht nur das. Es ist etwas hinzugekommen, eine Tiefe, eine Dramatik. So wie in seinem „White Darkness“ - einer Reflexion über den Einfluss von Drogen auf den Menschen - die Bewegungen direkt aus den Abgründen, aus der seelischen Not herausdrängen, so hat man Duato noch nicht gesehen. Zwischen den Duetten und Ensembles in ihren tänzerisch wunderbaren „Rausch“-Zuständen, packt einen immer wieder das zwischen Liebe und Droge zerrissene Solo-Paar. Nach diesen auch mit herb-rhythmischen Streicher-Klängen musikalisch stimmigen 30 Minuten war man - „voll glücklich“. Das 45-minütige „Herrumbre“ danach über das Thema Folter erdrückte etwas mit seiner Länge und seinen Wiederholungen. Gleichviel, man hat hier einen Choreografen erlebt, der an sich und an seiner Kompagie gearbeitet hat: Duatos Tänzer singen und atmen den Tanz.
An dieser Stelle auch ein Lob für Kuratorin Bettina Wagner-Bergelt. Vielfalt, Farbigkeit und Witz ihres Programms machten - bis jetzt - müde Dauerzuschauer immer wieder munter. „Episodes of Flight“ von der Britin Rosemary Butcher erwies sich zwar als eine strenge Raum-Bewegungs-Recherche auf weißem Tanzteppich zwischen kargen graphischen Projektionen auf zwei gegenüberliegenden Leinwänden. Aber so choreografiert eben eine Tanzpionierin: ohne Rücksicht auf Zuschauergelüste strikt auf das für sie Wesentliche konzentriert. Ganz hintergündig Ivana Müllers Nicht-Tanz-Stück, in dem fünf in unbequeme Wachsfiguren-Posen eingefrorene, dadaistisch parlierende Darsteller per ausgetüftelter Tontechnik die Stimmen untereinander austauschen. Und sehr komisch „Hotel Hassler“ des Berliner Duos (Günther) Wilhelm und (Mariola) Groener. Drei Männer erstarren abwechselnd zu Schaufensterpuppen, drehen, verbiegen, kippen sich gegenseitig und, angestoßen, trippel-torkeln wie trunkene Marionetten durch den Raum. Da tanzen Bildende Kunst und zeitgenössischer Tanz lustvoll einen bizarren Tango. Bis zum Dance-Ende (8. 11.) gibt es neun weitere, hoffentlich genau so schräge Tanz-Experimente.
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