Abschied, Comeback inklusive

Jason Reilly und Maria Eichwald als Petrucchio und Katharina in der Crankoschen „Widerspenstigen“

oe
Stuttgart, 25/07/2009

Hat es das je zuvor gegeben, Abschied und Comeback in ein und derselben Vorstellung? Nicht jedenfalls in oe‘s langem, langem Theaterleben! Aber dem Stuttgarter Ballett ist eben so gut wie nichts unmöglich. Und darum hatte es eben am Montag noch so ausgesehen, dass die Samstagvorstellung als Schlussvorstellung der Spielzeit die Abschiedsvorstellung des viel geliebten Jason Reilly beim Stuttgarter Ballett sein würde, den es nach seiner kanadischen Heimat und Familie gelüstete, während es am Dienstag hieß: Kommando zurück: Romeo bleibt in Stuttgart – denn: „Die Heimat ist dort, wo das Herz ist, und mit dem Herzen bin ich hier in Stuttgart!“ Ob das Wendelin Wiedeking am Ende dieser Woche wohl auch noch von sich gesagt hat? Und so konnten die Stuttgarter Ballettfans am späten Samstagabend ihren Super-Macho zum Abschied erneut willkommen heißen, samt seiner vermeintlich Widerspenstigen Katharina alias Maria Eichwald – nach ihrem spannenden amourösen Sparring-Fight in zwei Runden, der unentschieden geendet hatte. Wie fast immer in diesen vierzig Jahren seit der Premiere am 16. März 1969.

Vierzig Jahre – wahrhaftig? Und war da sonst noch was gewesen, anno ‘69? Immerhin die Uraufführung solcher Opern wie „2000 Taler“ von Boris Blacher, von Giselher Klebes „Das Märchen von der schönen Lilie“ und von Henri Pousseurs „Votre Faust“. Erinnert sich heute noch jemand daran? Crankos „Der Widerspenstigen Zähmung“ indessen lebt putzmunter noch immer, begeistert wann immer sie auf dem Spielplan steht über tausend Zuschauer – und wird es wohl auch in ein paar Jahren noch tun, nachdem sie nunmehr in ihr Schwabenalter eingetreten ist. Und wie dann wohl die beiden künftigen Protagonisten heißen werden? Aber hätten sich das Marcia Haydée und Richard Cragun je träumen lassen, als sie sich an jenem legendären Märzabend den ersten Nasenstüber verpassten – damals, als die Württembergischen Staatstheater (so hießen die zu der Zeit noch!) von einem gelernten Agronomen namens Walter Erich Schäfer geleitet wurden? Superb, superb – super!

Nein, die heutige Stuttgarter Tänzergeneration braucht sich wahrlich nicht hinter ihren Vorgängern zu verstecken! Weder Maria Eichwald, die ihren kratzbürstigen kasachstanischen Charme durch ihr augenzwinkerndes Plinkern ironisiert, zu schweigen von ihrer Wirbelwind-Technik, noch Jason Reilly, der mit seinem Vornamen noch ganz andere Ladies als lediglich Medea und Kreusa verführt hätte, gar nicht zu reden von seinen kopfverdrehenden Triple tours. Und da auch alle ihre Kollegen, von Laura O‘Malley und Nikolay Godunov angefangen und die ganze Padovaner Sippschaft tanzte, dass die Fetzen flogen – inklusive der doch schon recht abgewetzten Kostüme von Elisabeth Dalton (und ihr abwrackprämienreifes Dekor) – wurde es wahrlich ein Abend zwischen Abschied (von einer alles in allem reichen Spielzeit) und Vorfreude auf das herbstliche Comeback all dieser putzmunteren Tänzer des Stuttgarter Balletts, das inzwischen zielsicher auf sein halbhundertjähriges Jubiläum zuschreitet (wer hätte das je für möglich gehalten, als Cranko 1961 sein Stuttgarter Amt antrat?).

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