„Mythos Coco“
Pick bloggt über Peter Breuers neues Stück in Salzburg und vergisst dabei auch das weltbekannte Parfum „No. 5“ nicht.
Seit 1991 leitet Peter Breuer das von ihm aufgebaute Ballett am Salzburger Landestheater, eine kleine, aber feine Gruppe von zwölf Tänzern, die er, je nach Projekt, mit Gästen oder Eleven verstärkt. Sein neues Programm „Heroes“ wird auf der Probebühne im Rainberg gezeigt, die in den Fels gehöhlt ist. Vor der Felswand umrahmt ein rechteckiges Stahlgestänge den klaren Bühnenraum von Anja Lichtenegger, in dessen Hintergrund links eine steile Treppe, rechts eine Rampe zu einer Empore hinaufführt, unter der sich zu beiden Seiten der Mittelkammer je drei kleinere Seitenkammern öffnen können. Da also soll ein „Tanztheater in 14 Bildern“ uns Beispiele von Helden vor Augen stellen und erzählen, dass „letztlich jeder selbst die Macht hat, Grenzen zu überwinden, Außergewöhnliches zu leisten und die Welt zu verändern“, schreibt Michael Alexander Sauter als Librettist und Dramaturg Peter Breuers.
Der hat für das erste Bild ein Duett choreografiert, in dem die exzellente Anna Yanchuck aus der Schule Kiews und Marian Meszaros zunächst auf verschiedenen Ebenen solo oder unisono ihre Gefühle sichtbar machen und dann ihre Begegnung in feinen Bezügen aufeinander tanzen. Kommunikativ und knapp kam als Essenz zum Ausdruck: Dass beide sich leider nicht getraut haben, weiter aufeinander zuzugehen. Vier Mal folgen „Helden des Alltags“: So im 2. Bild, wenn Adrian Bercea eine auch sprachlich spaßige Gebrauchsanweisung in grotesker Kompliziertheit umzusetzen strebt oder Kristina Kantsel eine elektrische Adventskerze zum Leuchten bringen will. Diese junge Russin rief im 6. Bild als „Dame mit dem Liegestuhl“ unerschütterlich ernst und mit großartigem Timing unsere Erinnerung an den Umgang mit einem in der Tat tückischen Objekt wach: Je länger sie brauchte, diesen Liegestuhl aufzustellen, desto komischer wurde es. Dazwischen die wahrhaft großen Stoffe: Wie Don Quijote und Sancho Pansa in idealer bzw. rustikaler Attitüde oder die erträumte Dulcinea und die reale Bäuerin sich voneinander unterscheiden und die Windmühlen den großen Helden niedertanzen. Wenn der starke Seemann Popeye dann seine Beziehung zu Olivia gegen den Schurken Brutus behauptet, prägen Slapstick und Virtuosität das Trio von Sokol Bida, Kristina Kantsel und Alexander Korobko. Und wenn Peter Breuer in „Joseph und das Weib des Potiphar“ zu „Josephs Legende“ von Richard Strauss auf eine frühere Arbeit zurückgreift, versteht er es, auch mit einem kleinen Ausschnitt das Gefühl des großen Dramas zu wecken. In „Der junge Mann und die Straßengang“ wird ein Tänzer auf dem Weg zur Probe von Hooligans angepöbelt. Diese verfolgen später, biertrinkend als flegelhaftes Publikum, einen klassischen Pas de deux. Es ist der aus „Don Quijote“, in dem sich das Anfangspaar nochmals virtuos hervortut. So schließen sich mehrere Bögen – mit einem tollen Kontrast zum gegenwärtigen Alltag.
Auch die zweite Hälfte kombiniert „Helden des Alltags“ mit großen Stoffen. In „Rama und Sita“ enttäuschte jedoch, wie Peter Breuer indische Tanzelemente zu integrieren versucht, und auch seine Ensembleszenen beim Kampf der Heere in „David und Goliath“ wirkten eher etwas hölzern. In seiner Expressivität glaubhaft schien dagegen Nadja Rethey-Prikkels Solo in „Jeanne d´Arc“ über Johannas Vision, ihren Abschied und Aufbruch. Um das ganze stoffliche Ausmaß voll wiederzugeben, darf auch Bild 12 nicht fehlen: „Superman rettet einen Zug“. Hier sind wieder Erzähl- und Bildkräftigkeit zu rühmen. Frauen und Männer warten mit ihren Aktenkoffern auf den Zug, steigen ein – moderner Alltag. Dann kommt die Durchsage: Der Zug rast auf eine eingestürzte Brücke zu, die Funkverbindung funktioniert nicht! Mit einfachsten Bühnenmitteln wird persifliert, wie Superman herbeifliegt. Und noch toller ist es, mit welcher Phantasie Peter Breuer und sein Team ganz leicht veranschaulichen, wie Superman den Abgrund mit seinem eigenen Körper überbrückt. Dazu passte das Finale zu Gloria Geynors „I will survive“, in dem zum Disco-Sound fast alle Figuren sich noch einmal trafen. In Salzburg ist ein großer Erzähler am Werk, der mit der tänzerischen Linie nicht immer penibel ist, mit seinen Tänzern aber vollblütiges Tanztheater schafft. „Heroes“ ist eine mit leichter Hand hingeworfene Revue, die hinreißendes Vergnügen machte.
Nächste Vorstellungen am 2. / 5. / 9. / 10. / 13. / 15. / 16. / 22. und 23. Mai sowie am 4. und 6. Juni 2009.
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