Ein überfälliges Thema
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Cathy Marstons originelle Tanzversion der Shakespeare-Komödie für das Bern:Ballett
Unzählige Choreografen haben die Verwirrkomödie „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare schon in Tanz umgesetzt. Nun hat auch Cathy Marston, die aus England stammende Chefin des kleinen Bern:Ballett, zugepackt. Sie holte das Drama aus antik-romantischer Waldeinsamkeit heraus und modelte es zum heutigen „Winternachtstraum“ um. Entstanden ist ein Ballett in vorwiegend zeitgenössischem Tanz, das am Anfang noch nicht so recht überzeugt, am Ende und als Ganzes aber sehr gut gefällt. Auch wegen der schlauen Verbindung von Felix Mendelssohns Bühnenmusik mit Kompositionen des 36-jährigen Gabriel Prokofiev. Doch davon später.
Eine Crux besonders im ersten Teil des „Winternachtstraum“ besteht darin, dass man die Handlung nur schwer versteht. Auch wenn man Shakespeares Drama kennt und schon darauf fußende Ballette gesehen hat. Who is who bei Cathy Marston? Die jungen Frauen Hermia und Helena kann man von der Geisterkönigin Titania zunächst kaum unterscheiden. Sie tanzen alle barfuß bzw. in Strümpfen und bewegen sich (zu) ähnlich. Die Auftritte von Handwerkern oder falsch verliebten Jungen wirken lebhaft bis aufgedreht, die Späße mit Po-Gewackel und Phallus-Imitationen sind manchmal etwas schlicht.
Doch nach der Pause intensiviert sich die Stimmung. Gary Marshall als Geisterkönig Oberon sieht in seiner Rocker-Kleidung nicht nur blendend aus, sondern springt und biegt sich wie ein Macho-Gott – oder zumindest ein halber. Der Versöhnungs-Pas-de-Deux mit seiner Gattin Titania (Irene Andreetto), weit ausholend, athletisch und sexy, löst zu Recht heftigen Zwischenapplaus aus. Das Problem, mit rund zwölf Tänzerinnen und Tänzern ein abend- und bühnenfüllendes Handlungsballett zu kreieren, löste Marston mit Kindern einer benachbarten Volks- und Musikschule. Als Elfen mit Pinocchio-Nasen beleben sie die Szenen. Und haben sichtbar Spaß am Spiel.
Marstons „Winternachtstraum“ spielt vor einem halb abgebauten Rummelplatz, in winterlicher Starre eingefroren. Im ersten Teil hält ein Maschendrahtzaun mit Verbotstafel die Tänzerinnen und Tänzer vom Zutritt ab. Natürlich durchbrechen alle dieses Hindernis, mit Hilfe des Kobolds Puck, der hier zum listigen Brüderduo geworden ist (Izumi Shuto/ Yu-Min Yang). Der zweite Teil führt dann direkt auf den Rummelplatz. Doch der hat sich inzwischen in eine surreale Traumwelt verwandelt. Schneeflocken fallen vom Himmel, ein weisses Pferd schwebt in der Luft, Schaukeln bewegen sich auf und ab, als kämen sie aus dem Weltall. Geradezu magisch wirken sie, die Bühnenbilder der Engländerin Naomi Wilkinson.
Und die Musik? Wie viele andere Choreografen hat Cathy Marston die Bühnenmusik von Felix Mendelssohn als Basis ausgewählt. Und damit Musik eines andern Komponisten verbunden. Bei John Neumeiers „Sommernachtstraum“ stammte diese von György Ligeti, bei Heinz Spoerli von Philip Glass. Beim Bern:Ballett hingegen hat Gabriel Prokofiev mitgewirkt, ein in London lebender Enkel vom Sergej Prokofiev - und das ganz direkt und prägend.
So spielt nun also das Berner Symphonieorchester unter Dorian Keilhack die Sätze aus Mendelssohns Bühnenmusik abwechselnd mit Einlagen, die Gabriel Prokofiev eigens für Bern komponiert hat. Ferner erklingen Auszüge aus dessen Concerto for Turntables and Orchestra (2007), ein Gemisch von moderner Klassik und Hiphop. Ein „Plattenspielerspieler“ (Martin Baumgartner) scratcht von einer Loge aus die Arrangements noch zusätzlich in- und durcheinander. Einmalig. Spannend.
Weitere Vorstellungen bis 31.Januar 2012.
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