Von Vergil über Purcell zur Choreografin Johannessen
Das Bern Ballett zeigt eine überaus eindrückliche Inszenierung der Oper „Dido und Aeneas“
Gelungene Uraufführung von Cathy Marstons „Sturmhöhe“ beim Ballett:Bern
Die englische Choreografin Cathy Marston liebt das Literaturballett. Das bewies sie in „Ghosts“ (2005) nach Henrik Ibsens Theaterstück „Gespenster“, in „A Tale of Two Cities“ (2008) nach Charles Dickens gleichnamigem Roman und jetzt im Ballett „Sturmhöhe“. Hier ließ sich die Choreografin durch die romantisch-unheimliche Story „Wuthering Heights“ von Emily Brontë (1818-48) inspirieren. In „Sturmhöhe“ geht Marston weniger konkret vor als sonst. Das Tanzstück ist nur 70 Minuten lang – kein Handlungsballett im herkömmlichen Sinn, sondern ein Konzentrat hauptsächlich emotionaler Vorgänge. Im Ablauf etwas verwirrlich, aber von den je sechs Tänzerinnen und Tänzern des Bern:Ballett intensiv nachempfunden und getanzt.
„Wuthering Heights“ (1847), in England bis heute eine verbreitete Lektüre, spielt in der Moor- und Heidelandschaft von Yorkshire – in der Gegend, wo die Pfarrerstochter Emily Brontë zusammen mit ihren dichtenden Schwestern Charlotte („Jane Eyre“) und Anne („Agnes Grey“) ihr kurzes Leben verbrachte. Das Buch handelt von Liebe und Rache, von Macht und Demütigung, Geburt und Tod auf den Gutshöfen der Familien Earnshaw und Linton. Hauptrolle: Der wilde Heathcliff, der als Findelkind bei den Earnshaws aufwächst. Hauptthema: Die gegenseitige, aber zerstörerische Liebe zwischen Heathcliff und Catherine Earnshaw, die über mehrere Generationen hinweg Unglück bringt.
Neben Heathcliff (Gary Marshall) und Catherine (Jenny Tattersall) treten bei Marston drei weitere konkrete Figuren auf: Cathys Bruder Hindley (Erik Guillard), ihr späteren Ehemann Edgar Linton (Chien-Ming Chang) und dessen Schwester Isabella (Hui-Chen Tsai). Die Figuren sind wegen ihrer ziemlich einheitlichen Tanzsprache nicht so leicht identifizierbar. Zudem spalten sich ihre Gefühle manchmal ab, gehen in die übrigen sieben Tanzenden über. So kann sich die Liebe zwischen Heathcliff und Catherine in einem andern Paar spiegeln, oder ein Pas de deux geht gleich dreifach synchron über die Bühne.
Die Handlung des Balletts beschränkt sich auf den ersten Teil des Buchs. Doch auch ihn kriegt man nur bruchstückhaft mit. Das frustriert etwas. Bis man dann doch hineingezogen wird ins tänzerische Gefühlschaos von „Sturmhöhe“: Wie Heathcliff sich schauerlich rächt dafür, dass Catherine aus Standesgründen einen andern heiratet. Wie er Isabella verführt und quält, wie er Hindley die Demütigungen zurückzahlt, die er einst von ihm erfahren hat. Catherine versucht derweil, mit ihrem edlen Edgar zurecht zu kommen, bis sie dann doch wieder Heathcliff verfällt. All diese Greuel aus dem Roman zeichnet die Choreografin (anders als früher in „Ghosts“) nicht naturalistisch nach. Sondern setzt sie in eher abstrakten modernen Tanz um. Die Frauen eilen auf nackten Füßen über die Bühne, wirken wie Töchter der Luft oder des Sturms. Bodenverhafteter, aber auch sie agil bis tollkühn, werfen sich die Männer in die Szene. Oft finden sich die Tanzenden zu Paaren und spannungsvollen Dreiergruppen zusammen. Sie zeichnen sich bei Cathy Marston durch transparent verflochtene Bewegungen aus, die sich gleichmäßig auf Tänzerinnen und Tänzer verteilen. Flüssig, ohne aufdringliche Posen. Das Bühnenbild von Jann Messerli verzichtet auf alle Zeichen von Hochmoor und Sturm. Es zeigt einen kühlen Raum mit drei verschiebbaren Requisiten, darunter einem Hohlkörper, der am Schluss des Balletts zu Catherines Sarg wird. Farbiger die Musik von Dave Maric, in der man Regen, Wind und Fensterklappern hört und gewisse an Personen gebundene Leitmotive erkennt. So polyphon die Komposition klingt, so erstaunlich einfach ist sie entstanden. Maric hat verschiedene Aufnahmen eines Kontrabasses zu einem Klangorchester gesampelt. Von einer Klause aus koordiniert er die Aufführung. Und vorn auf der Bühne toppt der Kontrabass-Künstler Mich Gerber das Ganze mit vielseitigen Live-Einsätzen.
In ihrer ersten Spielzeit in Bern (2007/08) brachte Cathy Marston die Choreografie „Ghosts“/ „Gespenster“ aus England mit, wo sie das Stück im Linbury Studio des Royal Opera House London mit ihrer damaligen Gruppe uraufgeführt hatte. „Sturmhöhe“/ „Wuthering Heights“ geht den umgekehrten Weg: Das Bern:Ballett gastiert mit der neuen Kreation ebenfalls im Linbury Studio. Viermal gegen Ende Mai.
Link: www.stadttheaterbern.ch
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