Junior Ballett Zürich mit Augenblicken aus Zwischenwelten
Das Junior Ballett Zürich setzt mit der Inszenierung „IRIS“ des englischen Shootingstars Douglas Lee atemberaubende Akzente am Opernhaus Zürich.
Premiere mit Stücken von Christian Spuck, Douglas Lee und Stephan Thoss
Sie sind hoch privilegiert: die 15 Tänzerinnen und Tänzer des Junior Ballett in Zürich, alle unter zwanzig Jahre alt und angehende Profis. Privilegiert, weil sie zusammen mit dem 36-köpfigen Ballett Zürich trainieren, in ausgewählten Vorstellungen mit diesem auftreten und von der Infrastruktur des Hauses profitieren können. Jetzt hat der Nachwuchs auf der Studiobühne des Opernhauses einen eigenen dreiteiligen Abend entwickelt, mit der Schweizer Erstaufführung von „Bellulus“ (Stephan Thoss) sowie zwei Uraufführungen von Douglas Lee („Iris“) und Christian Spuck („Solitude“). Spuck ist seit dieser Spielzeit neuer Direktor und Chefchoreograf in Zürich, als Nachfolger von Heinz Spoerli, und die Förderung der Jungen liegt ihm am Herzen.
Einsatz und Aufwand für das Junior Ballett haben sich gelohnt. Nach der Premiere vom 21. November waren alle happy: das Publikum und die jungen Tänzerinnen und Tänzer, die aus zehn Nationen stammen. Zwei Jahre können sie im Junior Ballett mitmachen, nachher werden sie, wenn sie Glück haben, ins Ballett Zürich übernommen, oder aber sie haben gute Voraussetzungen für ein Engagement anderswo.
Das dreiteilige Programm enthält in allen Stücken einen grösseren oder kleineren Anteil an klassischem Tanz, lässt aber sonst der Fantasie freien Lauf. Es beginnt mit „Iris“ von Douglas Lee, Spucks langjährigem Kollegen als Tänzer und Choreograf in Stuttgart, der seit kurzem frei arbeitet. Mit „Iris“ ist nicht ein Mädchen gemeint, sondern die Regenbogenhaut, welche äussere Eindrücke aufnimmt und ins Innere leitet. Gedämpfte zeitgenössische Musik erklingt, dazwischen ertönen verwirrende Regieanweisungen (ganzes Programm ab Tonträger). Lampen von beweglichen Lichttürmen werfen ihren Schein auf sieben Tanzende, die in verschiedenen Formationen, vor allem aber im Pas de Deux, komplizierte Abläufe zeigen. Manchmal wirkt das Bewegungsmaterial wie vom Computer entwickelt, erinnert insofern ein wenig an Stücke von Merce Cunningham und hinterlässt auch einen entsprechend kühlen Eindruck. Aber auch einen sehr professionellen – „Iris“ erinnert an einen fremdartigen, gut geschliffenen Edelstein.
Anders „Solitude“ von Christian Spuck. An diesem Stück muss noch weiter geschliffen werden, ohne Garantie für ein super Resultat. Doch den je fünf Tänzerinnen und Tänzern bietet die Choreografie dankbare Ausdrucksmöglichkeiten, technisch und emotional, sei es im Solo oder in größeren und kleineren Gruppen. Ein Pendel, das über die Bühne schwingt und zwischendurch angehalten wird, gibt dem Ganzen jene mysteriöse Note, die den Tanzbewegungen fehlen mag. Entsprechend arrangiert auch die Musik: Zwischen Melodien aus dem Barock (Vivaldi, Scarlatti) platziert Spucks Zeitgenosse Martin Donner seine Dissonanzen von heute.
Das letzte Stück, „Bellulus“ (kleiner Krieg) von Stephan Thoss, 1999 in Kiel uraufgeführt, löst herzhaftes Lachen aus. Es handelt sich um eine entfesselte Persiflage auf Oper und Ballett. Auf einem Plüschsofa, purpurrot und schief, tummeln sich ziemlich hässliche Wesen, mit schwarz umrahmten Lemurenaugen, bekleidet mit Resten einstiger Kostüme. Opernarien aus „Hoffmanns Erzählungen“, „La Traviata“, „Carmen“, „Rigoletto“, auch ein markdurchdringendes „O sole mio“ scheppern ab Band. Dann erhebt sich jeweils einer oder eine vom Sofa, tanzt hoch expressives Unsinn-Zeugs und schwingt sich beim Arien-Wechsel zur Gruppe zurück. Ein Mädchen im Hängekleid, zart und ungeschminkt, tanzt zu einer zeitgenössischen Opernmelodie von Bernd Alois Zimmermann. Sie wird von den andern rüde ausgeschlossen: Man lässt sie nicht aufs Sofa, und ein Mann mit einem Kerzenständer, der auf der Bühne herumwandert, löscht bei ihrem Anblick ungnädig die Lichter aus.
Der neue Ballettchef Christian Spuck kommt übrigens in Zürich sehr gut an. Seine Choreografie von „Romeo und Julia“, bei der Uraufführung im Oktober mit Katja Wünsche/ William Moore, später mit Yen Han/Olaf Kollmansperger in den Titelrollen, erhielt fast ausnahmslos positive Kritiken und hat viel Zulauf. Dankbares Echo finden auch Spucks Einladungen zu Proben und Sonntagsgesprächen. Dem Junior Ballett widmet er viel Zeit. Gespannt schaut man auf den 21. Dezember: Dann hievt das neu zusammengesetzte Ballett Zürich die „Schwanensee“-Choreografie von Heinz Spoerli wieder ins Programm.
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