Ordnung(en)
Fotoblog von Ursula Kaufmann
Pick bloggt über seinen Besuch von Emanuele Soavis und Daniel Schüßlers „Paradisus?“
In Köln zeigte gestern Abend Emanuele Soavi gemeinsam mit dem Analogtheater vor einem anspruchsvollen Publikum in der Tanzfaktur eine rundum gelungene Vorstellung. Der Titel „Paradisus?“ hat sich mir allerdings weder vor noch nach dem anhaltenden Applaus wirklich erschlossen. Es geht um zwei junge Männer, die scheinbar in einer Haut stecken, was erst richtig erkennbar wird, wenn sie sich Rücken an Rücken ins Profil drehen und versuchen, sich auf diesem Weg aus der siamesischen Zwillingshaltung zu lösen. Ein dritter Mann, der zunächst wie ein Bühnenarbeiter aussieht, dann über lange Zeit damit beschäftigt ist, Erde in Eimer zu schaufeln, um sie dann einigermaßen kunstvoll auf der Bühne zu verteilen, schüttet zum Abschluss seiner Tätigkeit einen Eimer voller Äpfel bei den beiden mit sich ringenden Tänzern aus.
Beide Männer versuchen ihre Begierde nach den Äpfeln gestisch zu überspielen, um nicht die Contenance zu verlieren, während sie doch beide, jeder auf seiner Seite, die begehrten Objekte horten. Ich glaube so können das nur Italiener, nämlich Emanuele Soavi selbst und Federico Casadei, ein Tänzer von Gottes Gnaden, dem nicht nur in der Beweglichkeit scheinbar keine Grenzen gesetzt sind, und der, wenn er sich das erste Mal herumdreht, mit seinem dunklen Lockenkopf wie der jüngere Bruder von Stefan Thoss aussieht. Das Gegenteil zu ihm ist jener Techniker (Daniel Schüßler), der sich nach getaner Arbeit auf einen Stuhl setzt und der Dinge harrt, die auf ihn zukommen. Ich werde jetzt nicht den weiteren Fortgang dieser Performance mit ihren schönen choreografischen Duetten erzählen. Man muss es sehen!
Etwas maßlos erscheint mir der Anspruch des Stücks, wenn es denn eins ist. Nicht nur der Titel „Paradisus?“ auch der Text, den der Schauspieler und Regisseur Daniel Schüßler vor uns ausgießt, suggeriert vielleicht etwas zu viel. Da ist vom Herrgott und der Erschaffung seiner Welt die Rede, was dann auch gleich noch erklärt wird. Das schmälert jedoch nicht die Leistung dieses vierschrötigen Schauspielerkerls, der sich neben den beiden Italienern behauptet, obwohl er zu deren willigem Opfer wird. Ein leichter Sado-Maso-Touch gepaart mit Voyerismus schleicht sich ein. Doch das lässt durchaus Sympathie für diesen Menschen entstehen, der auch seine Haut zum Markte trägt – eine Wendung, die nicht zu erwarten war.
Die Performance bedient sich vieler hoch theatralischer Effekte, aber biedert sich nicht an, sondern befriedigt das, weswegen man, oder zumindest ich, Theater jeglicher Spielart liebe: Es muss nicht immer alles einen Sinn machen, sondern in unserer eigenen Fantasie einen Reiz auslösen. Und so ziemlich alles, was die Commedia dell’arte in heutiger Form leisten kann, rollt hier vor uns ab.
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