Prickelnde Rollendebüts und ein neuer Danseur Etoile
Rudolf Nurejews „Don Quichotte“ an der Pariser Oper
Rudolf Nurejews „Don Quichotte“ an der Pariser Oper
Rudolf Nurejews Pariser Fassung von „Don Quichotte“ aus dem Jahr 1981 gehört zu den Großproduktionen, die das Ballett der Pariser Oper regelmäßig am Jahresende aufführt. Dies ist eine schwierige Zeit für die Tänzer, nicht zuletzt, da im Dezember stets zwei Produktionen gleichzeitig auf dem Spielplan stehen und es zu vielen Verletzungen kommt. Umso erfrischender war es, dass dieses Jahr – anders als in der letzten Vorstellungsserie vor fünf Jahren, in der die Kompanie ziemlich außer Form war – nicht nur Haupt- und Nebenrollen fast durchgehend sehr gut besetzt waren, sondern auch das Corps de ballet sich von seiner besten Seite zeigte.
Gewiss, an einigen Geschmacklosigkeiten in der Choreografie hat sich nichts geändert. Genauso wenig bleiben einem die Nurejewschen Manierismen erspart, von den unzähligen Ronds de jambe zu den abrupten Richtungswechseln, die beispielsweise das Ende von Basilios Variation im Grand Pas auch in den allerbesten Besetzungen verquollen wirken lassen. Jedoch fallen diese in einer so mitreißend getanzten Vorstellung deutlich weniger ins Gewicht.
Als Kitri war an diesem Abend Isabella Boylston aus dem American Ballet Theatre geladen. Sie setzte der Grazie ihrer französischen Kolleginnen eine kraftvolle, sehr solide Technik und stabile Balancen entgegen. Allerdings gelang es ihr trotz ihres engagierten Tanzes kaum, ihre Figur zum Leben zu erwecken. Vor allem im ersten Akt ging dem Ballett fast das Zentrum verloren, da um Kitri, die auch in Nurejews um einige männliche Variationen ergänzte Fassung unbestreitbar die Hauptfigur ist, das bunte Leben tobte, während sie selbst merkwürdig abwesend war. Doch gewann sie in den klassischeren Passagen an Sicherheit, vor allem der Dryadenszene und dem abschließenden Grand Pas.
An ihrer Seite lief Mathieu Ganio zu seiner Hochform auf: Nie zuvor tanzte er die Rolle des Basilio mit solcher Souveränität. Nicht nur, dass ihn die technischen Tücken seiner zahlreichen Variationen nicht im Geringsten beeindruckten, sondern er zeigte sich auch als höchst aufmerksamer Partner, der seine Kitri in den „russischen“ Hebungen des ersten Aktes wie eine Feder auf einer Hand in der Luft schweben ließ. Er spielte seine Rolle mit Charme und Temperament, ohne dabei irgendetwas von der Eleganz und stilistischen Sauberkeit einzubüßen, die ihn derzeit zum vollkommensten Repräsentanten des französischen Tanzes machen.
Einige Nebenrollen waren ebenfalls erstklassig besetzt, von Kitris strahlenden Freundinnen (Benois-Preisträgerin Hannah O’Neill und Sae Eun Park) bis zur Dryadenkönigin Amandine Albisson, die sowohl durch präzise italienische Fouettés als auch durch eine scheinbar schwerelose Reihe von Grands Jetés beeindruckte. Heloïse Bourdon war eine charmante erste Brautjungfer; nur von Florian Magnenet als Espada und Valentine Colasante als Straßentänzerin hätte man sich eine weniger vulgäre Interpretation gewünscht. Das Corps de ballet schillerte in der Dryadenszene und tanzte mit einer Hingabe, die in den letzten Jahren nicht mehr selbstverständlich war, und das Orchester unter Valery Ovsyanikov trug nicht wenig zur schwungvollen Atmosphäre des Abends bei.
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