Siegfrieds gescheiterte Revolution
Rudolf Nurejews „Schwanensee“ in der Opéra Bastille
Rudolf Nurejews „Don Quichotte“ an der Pariser Oper
Der Pariser „Don Quichotte“, Nurejews vielleicht gelungenste Umsetzung eines großen Ballettklassikers, ist ein Stück, zu dem man immer wieder gerne zurückkehrt. Dies liegt nicht nur daran, dass Stil und Atmosphäre des Stückes sehr dem Temperament der Kompanie entsprechen, sondern auch daran, dass die Direktion der Pariser Oper gerade dieses Ballett gerne als Chance und Prüfstein für junge Talente verwendet – nicht nur in den ungewöhnlich zahlreichen Nebenrollen, sondern auch in den Rollen des Barbiers Basilio und seiner Geliebten Kitri. Nurejews Version stellt dabei mit ihrer erhöhten Anzahl an Pas de Deux und Variationen und ihren berüchtigten technischen Schwierigkeiten eine besondere Herausforderung für weniger erprobte Tänzer dar.
Auch dieses Jahr gab es einige interessante alte und neue Besetzungen: außer den langjährigen Etoiles des Hauses (wie zum Beispiel, in zwei herausragenden Besetzungen, Agnès Letestu und José Martinez sowie Aurélie Dupont und Nicolas Le Riche) waren unter anderem die Solisten Myriam Ould-Braham und Emmanuel Thibault, Nolwenn Daniel und Karl Paquette, Jérémie Bélingard sowie der erst neunzehnjährige Halbsolist Matthias Heymann in den Hauptrollen zu sehen. Und wie schon in den letzten Jahren (Laëtitia Pujol im Mai 2002, Mathieu Ganio im Mai 2004) gab es auch dieses Mal eine Nominierung zum Danseur Etoile: diese ereilte am 28. März den Solisten Jérémie Bélingard. Dieser ist noch mehr in modernen Rollen als in großen Klassikern zu Hause: erst letztes Jahr schuf Nicolas Le Riche für ihn den Part des Caligula in seinem gleichnamigen Ballett, und unter seinen beeindruckendsten Rollen erinnert man sich vor allem an seine exzellenten Forsythe-Interpretationen, an seinen diabolischen Heathcliff in Kader Belarbis „Wuthering Heights“ sowie an seinen der Leidenschaft bis zum Wahnsinn verfallenen Frédéri in Roland Petits „Arlésienne“.
Zu den überraschendsten neuen Paaren dieser Spielzeit gehörten die beiden Solisten Myriam Ould-Braham und Emmanuel Thibault. Glänzte der kleine, virtuose Thibault bereits vor drei Jahren in einer beeindruckenden Vorstellung in der Rolle des Basilio an der Seite einer ebenfalls brillanten Dorothée Gilbert, so mochte die Besetzung der zarten blonden Ould-Braham als Kitri doch zunächst erstaunen. Diese Zweifel wurden bald zerstreut: von ihrem ersten Auftritt an sprühten die jungen Tänzer Funken und überzeugten nicht nur durch ihre exzellente Technik, sondern auch durch ihre ungehemmte Lebensfreude und ihr erfrischend-natürliches Spiel. Beiden schienen – von einer Unsicherheit in den „russischen“ Hebungen des ersten Aktes abgesehen – die technischen Schwierigkeiten in Nurejews Choreographie kaum Probleme zu bereiten. Thibault, bekannt für seine lupenreine petite batterie und seine Sprünge, bei denen er in der Luft zu stehen scheint, beeindruckte vor allem in einer feurig-virtuosen Variation des ersten Aktes. Souverän überflog er die zusätzlichen Soli, durch die Nurejew die traditionell eher begleitende und stützende männliche Hauptrolle zu einem gleichberechtigten Gegenstück Kitris machte.
Myriam Ould-Braham als kokett-verspielte Kitri eroberte spätestens in ihrer Dryaden-Variation des zweiten Aktes alle Herzen, in der sie eine atemberaubende Serie von ronds de jambe en l’air ausführte. Von vollendeter Leichtigkeit, mit einer perfekten Linie und haarscharf präzisen Arabesken gehört Ould-Braham ebenso wie ihr Partner eindeutig zur Spitze der Klasse der Solisten. Zudem verfügen beide noch über die natürliche Bühnenpräsenz, die sie zu verdienten Lieblingen des Publikums macht.
Auch die zahlreichen Nebenrollen waren mit jüngeren oder weniger etablierten Tänzern des Corps de Ballet besetzt. Besonders positiv fielen dabei die federleichte und grazile Miteki Kudo als Cupido sowie Kitris strahlende Freundinnen Muriel Zusperreguy und Fanny Fiat auf, und auch das Corps de Ballet trug mit sprühender Lebensfreude und feurigem Elan zur gelungenen Vorstellung bei. Doch glänzten an diesem Abend vor allem die beiden Solisten Ould-Braham und Thibault, deren gelungene, harmonische Partnerschaft man in Zukunft gerne öfter in großen Rollen sehen würde.
Opéra Bastille: Besuchte Vorstellung 26.03.07
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