Abschied von Patrick Dupond
Der ehemalige Solotänzer und langjährige Ballettdirektor der Pariser Oper ist verstorben
Es sind erstaunliche Op-Art-Effekte, die den Zuschauer bei der jüngsten Premiere des Pariser Opernballetts in den Bann schlagen. Der mit Licht- und Spiegelinstallationen berühmt gewordene dänische Künstler Olafur Eliasson schafft für Wayne McGregors Choreografie „Tree of Codes“ (Baum der Zeichensysteme) im ehrwürdigen Palais Garnier eine hochartifizielle Atmosphäre, die mit unseren Sinneswahrnehmungen spielt. Das passt gut zu McGregors Interesse an neuronalen Abläufen, die er mit seinen Tänzern körperlich darzustellen sucht.
Es beginnt im völligen Dunkeln, in dem sich Tänzer in schwarzen, mit kleinen Lämpchen bestickten Trikots bewegen. Die Lämpchen wirken so wie frei im Nichts schwebende Atome und Elektronen, die sich immer wieder neu konstituieren, verbinden und lösen. Später fassen die Tänzer im gleißenden Licht durch Trichterspiegel, als öffneten sie neue Räume. Vor einer Spiegelwand tanzen sie in Paaren oder Gruppen mit sich selbst – und auf den Köpfen des Publikums, das per Suchscheinwerfer beleuchtet und so auch in den Spiegel reflektiert wird. Später erreicht horizontales Vor- und Rückwärtskippen des Spiegels sogar die Ränge, so, dass die Tänzer nun scheinbar im Raum schwebend tanzen.
Die Bewegungen liegen stets sauber auf der etwas esoterikpopmäßig fließenden Musik, die der vor allem als Remixer angesagte Komponist Jamie xx (ja: Jamie xx) aus den durch einen Algorithmus in elektronische Melodien verwandelten Sätzen des Romans „Tree of Codes“ von Jonathan Safran Foer gewonnen haben will. Foer nun wiederum soll ihn durch Decollage eines Romans von Bruno Schulz erzeugt haben. Das liest sich wie die dritte Ableitung von x, klingt bei Jamie xx aber recht banal und erinnert durch McGregors klassisch basierte Ausdruckssprache dann zeitweise an Rock the Ballet. Vielfach die Hebungen, Drehungen, Anklänge an Pirouette, Arabeske, sogar Entrechats und Fouetté. Aber es fehlt oft an Spannung in den Beziehungen, bedenkt man wie großartig McGregor einst die „Anatomie de la Sensation“ eines Bacon in ästhetisch kühlen Räumen voller Leidenschaft sezierte.
Die Tänzer, teils aus McGregors, teils aus der Pariser Kompanie tanzen das in gewohnter Perfektion, nur die Musik bietet keine Reibung. So sind es Eliassons Installationen, die immer wieder zu schönen, manchmal verblüffenden, manchmal auch aufregenden Bildwirkungen führen und wenigstens optisch verunsichern. Da tanzt ein Paar vor der Spiegelwand, die gleichzeitig durchsichtig ist für das Tänzerpaar dahinter, so, dass das Paar im Spiegel quasi mit dem dahinter zu tanzen scheint, aber auch durch es durchlaufen kann, als wären es Gespenster. Der Effekt wird so weit in die Tiefe des Raumes gesteigert, dass man bald nicht mehr weiß, wer Spiegelbild, wer echt ist.
Stille Phasen mit zeitlupig gestreckten und bodennahen Bewegungen wechseln mit harten Rhythmen und flotten, wirbelnden Figuren, irgendwann drehen sich dazu Lichtkreise in bunten Farben über den ausgedrehten Scheiben einer Art Riesenfernglas, als wären wir auf einem poppigen Psychedelic-Trip. Vielleicht sind wir jetzt in der weitverzweigten, rauschenden Krone des „Tree of Codes“ angelangt. Die Musik jedenfalls leitet das Ende ein, geht wieder in den Klatschrhythmus über, aus dem sie gestartet war, und wird bald vom rasenden Applaus des Publikums übertönt. Ein etwas weniger glattlaufender Soundtrack hätte die künstlerische Abstraktion dieser fantastischen Op-Art erhöhen können.
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