„Shall I compare thee to a summer's day“ von Tanzkompanie bo komplex

„Shall I compare thee to a summer's day“ von Tanzkompanie bo komplex

Shakespeare und Politik in Köln und Bonn

Pick bloggt über „Shall I compare thee to a summerday“ von Tanzkompanie bo komplex und „Let’s face it!“ von Antje Velsinger

Gute Ideen sind in der Brotfabrik Bonn und der Tanzfaktur Köln zu erleben. Vor allem die Tänzer beeindrucken.

Bonn/Köln, 09/02/2017

„Shall I compare thee to a summerday“ – diesen klingenden Titel hat Bärbel Stenzenberger gewählt für ein Stück, dem Sonette von Shakespeare als Grundlage dienen. Und in diesen kalten Tagen wird es wohltun, sich in der gut geheizten Brotfabrik von ihr und Olaf Reinecke in die Welt der Poesie entführen zu lassen. Wer diese Dichtungen kennt, wird wissen, dass sie wie Musik und nicht immer zu entschlüsseln sind. Dass sie vielfachen Sinn haben, ist der Reiz, in den sich schon mehrfach Theatermacher verliebt haben. Die Texte, in der Originalsprache, werden hier ein Partner der Musik (Komposition/Musikdesign: Philip Roscher). Allerdings ist das nicht gedacht als Ruhekissen für die Sprache, sondern es ergibt sich eine Reibung und somit ein spannendes und erfreuliches Nebeneinander.

Das Stück für einen einsamen Darsteller (Olaf Reinecke) ist eine Stunde konzentrierter Lust, auch wenn es ein Geheimnis bleibt warum eigentlich. Niemand will sich hier festlegen auf Fakten, nicht einmal die Frau, die die andere Hauptrolle spielt, die die Bilder zu diesem Werk gestaltet hat, die Künstlerin Lieve Vanderschaeve. Und wenn ich Bilder sage, ist das eigentlich nicht ganz korrekt. Solche gibt es zwar, aber, wenn man gut aufpasst, wird man sehen, dass sie tatsächlich, wie die Sonette auch, ein Eigenleben haben. Und wenn man gerade gedacht hat, man habe es jetzt erfasst, hat sich unmerklich schon wieder alles verändert. So wird nicht nur eine Poesie im Text, sondern auch eine Poesie der Architektur geschaffen.

Ich könnte jetzt versuchen, dem allen auf den Grund zu gehen, denn alle vier Partner sind keine Illusionisten mit einem Zauberkasten, sondern sie zählen darauf, dass die Zuschauer willig sind, sich Shakespeare, oder wer immer hinter diesem Namen verborgen ist, zu ergeben. Für Olaf Reinecke, der übrigens nicht immer allein erscheint, sondern einen Doppelgänger hat, ist dieser Abend möglicherweise ein großer Schritt in die richtige Richtung, auch wenn ich nicht glaube, dass dies ein Hintergedanke dieser Produktion war. Reinecke beweist an diesem Abend, dass er mehr kann, als irgendwelche Schritte für sich erfinden zu lassen. Er ist eine wirkliche Bühnenerscheinung, die auch solch einem vielschichtigen Sujet gewachsen ist. Aber leider verbirgt sich in diesem Projekt auch eine kleine Gefahr: wenn es denn einen Darsteller/Tänzer an neue Gestade spülen soll, kann, will er oft, wie hier auch, vage bleiben. Normalerweise ist der Bühnenboden aber kein Sumpf, wie jeder Tänzer weiß, und wenn er es denn wäre, man müsste auch in ihm bestehen!

In Köln in der Tanzfaktur gab es ebenfalls einen ziemlich fantastischen Abend – diesmal für eine Solo-Tänzerin. Und man kann sehen, dass Vania Rovisco eine gute ist! Leider darf sie das nur andeutungsweise zeigen, denn eine Choreografie im herkömmlichen Sinne ist von Antje Velsinger nicht vorgesehen. Es wäre schade, wenn die beiden in Zukunft nur in der gezeigten Richtung von Verwandlung mit Masken und einer wenig stringenten Regie weitergehen würden. Passend zum Titel „Let‘s face it!“ werden die mal mehr, mal weniger verständlichen Texte, manchmal mit und manchmal ohne Mikrofon, dem Publikum vor die Füße geschleudert, ohne den Versuch zu erklären, was hier vor sich geht.

In der Ankündigung steht, gut formuliert und interessant, dass es darum geht, wie die Politik mit unserer Identität spielt. Leider ist die Umsetzung auf der Bühne nicht so gut gelungen. Vor allem nicht mit diesen Masken, die mir zwar handwerklich gefallen haben, aber für den Bühnengebrauch prekär sind. Ich fürchte, man braucht mehr Mittel, Zeit und Erfahrung für ein so komplexes Thema. Das ist auch in der Ausstattung (Sophie Aigner) zu sehen, die aus drei an primitive Jalousien erinnernden Hängern und Porträtskizzen mit jeweils einem Loch in Gesichtsgröße besteht. Auch das hat mir von der Idee her gefallen, aber leider ist es auch wahr, dass jeder Zuschauer in dem Moment, in dem er das Theater betritt, darauf wartet, wer wann welches Gesicht durch die fehlenden Porträts steckt. So funktioniert gutes Theater nicht, das ist leider zu naiv. Wie so oft in der Freien Szene steht im Antrag auf Förderung ein geschliffener Text und die Idee, ich wiederhole mich, ist sehr gut! Aber man braucht für so ein Thema leider mehr Handwerk, und damit meine ich auch Erfahrung. Alleine Vania sah man an, dass sie ein Profi ist, alles andere bleibt, ohne Vorwurf, im Entwurf stecken. „Shall I compare thee to a summerday“ von Tanzkompanie bo komplex wieder in der Brotfabrik Bonn am 17. und 18. Februar um 20:00 Uhr

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