Le Sacre du printemps: Ballett des Mariinski-Theaters, St. Petersburg
Le Sacre du printemps: Ballett des Mariinski-Theaters, St. Petersburg

Schlüsselwerk der Tanzmoderne

Thema der Spielzeit 2012/13: 100 Jahre „Le Sacre du Printemps“

Wer hat in der vergangenen Spielzeit „Sacre“ wo wie in Szene gesetzt? Und wo wird "Sacre" noch in der kommenden Spielzeit aufgeführt? tanznetz.de zeigt eine umfassende Video- und Linkübersicht.

München, 30/07/2013

[LINKS in dieser archivierten Version des Artikels sind ggf. nicht mehr aktuell!]

Der Samen keimte lange in ihm, schon bei der Arbeit an dem russischen Volksmärchen „Feuervogel“ (1910) soll Igor Stravinsky die Idee zu „Vesna Sviaschénnaiya“ (Heiliger Frühling) gekommen sein. In dem Tausendsassa Nicolas Roerich, einem studierten Juristen, begnadeten Maler sowie begeisterten Hobbyethnologen und –archäologen, fand er einen Gleichgesinnten. Die beiden Herrschaften reisten zu Recherchezwecken nach Talaschkino bei Smolensk, wo Prinzessin Tenyschewa auf ihrem Landsitz eine Sammlung russischer Volkskunst bewahrte. Roerich schrieb daraufhin ein zweiteiliges Libretto, entwarf das Bühnenbild sowie prähistorisch-primitive Kostüme für „Le Sacre du Printemps“. Diaghileves Darling, Vaslav Nijinsky kümmerte sich um die choreografische Umsetzung des Opferrituals und bürstete damit die klassisch Balletttechnik komplett gegen den Strich. Was am Ende herauskam, dürfte inzwischen hinreichend bekannt sein. Landauf wie landab erinnert, zelebriert, rekonstruiert, kreiert und kopiert man im Rahmen des 100jährigen Jubiläums von „Le Sacre du Printemps“. Am 29. Mai 1913 löste dieses Werk beim Pariser Publikum im Théâtre des Champs Elysées heftigste Reaktionen aus und sorgt noch heute für Kontroversen.

Tanznetz.de hat sich kundig gemacht, welche Kompanien und Choreografen sich in vergangenen und in der kommenden Spielzeit den „Sacre“ auf die Fahnen geschrieben haben:

Zehn Jahre lang haben sich laut Selbstaussagen die amerikanische Tänzerin Millicent Hodson und der britische Kunsthistoriker Kenneth Archer mit der aufwendigen Rekonstruktion dieses Ballettes der Moderne befasst. Ihre Version wurde u.a. vom Joffrey Ballet einstudiert. Auch das MARIINSKY BALLET hat es im Repertoire, wovon man sich während der Salzburger Festspiele (siehe hier und hier) wie auch in Paris anlässlich eines Jubiläums-Gala überzeugen konnte.

Der deutsch-französische Fernsehsender ARTE ergatterte sich die Ausstrahlungsrechte des Gala-Abends am Théâtre des Champs Elysées. Zu sehen war nicht nur die Rekonstruktion des Nijinsky-Balletts, interpretiert vom Ballett und Orchester des Mariinsky-Theaters in Sankt Petersburg und unter der Leitung Valery Gergiev, sondern auch „Weihe“, die Neuinterpretation von SASHA WALTZ, die sich damit wiederholt dem Ritus und der Gruppendynamik widmete. Wer den Sendetermin des einzigartigen Tanzabends am 29. Mai 2013 verpasst hat, hat dank ARTE Live-Web noch Gelegenheit dazu ihn zu sehen. Sehen Sie sich hier das „Sacre-“Jubiläum im Doppel an. Übrigens: Sasha Waltz´ „Weihe“ ist live zu sehen am 26. Oktober sowie am 2. November 2013 in Berlin, Staatsoper Schiller Theater.

In der Spielzeit 2012/13 feierte das HAMBURG BALLETT das 40jährige Bühnenjubiläum von John Neumeier u.a. mit der Wiederaufnahme von dessen „Le Sacre“. Auch die Hodson-Archer-Rekonstruktion führt das HAMBURG BALLETT im Repertoire. In der Rolle der Ausgewählten war darin sehen die Wienerin Patricia Tichy (siehe hier).

Während das STAATSBALLETT BERLIN in der vergangenen Saision in einem moderierten Ballettkonzert rund um die Ballets Russes ohne „Sacre“ auszukommen schien, wagen sich das BAYERISCHE STAATSBALLETT und die STÄDTISCHEN BÜHNEN OSNABRÜCK und BIELEFELD 2013/2014 an die Rekonstruktion von „Le Sacre du Printemps“ in der Choreografie der deutschen Ausdruckstänzerin Mary Wigman.

Das STUTTGARTER BALLETT präsentierte in dem Abend „Ballettabend Meisterwerke“ Glen Tetleys „Le Sacre du Printemps“ aus dem Jahr 1974, mit dem sich der Erste Solist Alexander Zaitsev nach 18 Jahren von der Stuttgarter Ballettbühne verabschiedete. Das Interview mit Zaitsev finden Sie hier.

Der Italiener JACOPO GODANI schuf für das BALLETT der SEMPEROPER DRESDEN im Rahmen des Ballettabends „Les Ballets Russes – Reloaded“ eine „Sacre“-Neufassung. Darf´s ein wenig mehr sein? ROBERTO SCAFATI kredenzte im November für das BALLETT des THEATER ULM „Le Sacre du Printemps….Plus“. Einen kurzen Einblick in Scafatis Werk gibt’s hier. Das TANZTHEATER WUPPERTAL – PINA BAUSCH zeigte „Frühlingsopfer“ in dieser Saison in Gänze. Da Bauschs „Le Sacre du Printemps“ so erfolgreich war, wurde das Stück bald nach der Premiere aus dem dreiteiligen Strawinsky-Abend ausgekoppelt. Nächste Chance hierauf vom 22. bis 24. November, Opernhaus Wuppertal.

Die Beschäftigung mit der eigenen Biografie als Wuppertaler Bausch-Tänzer wie auch mit Zeitzeugeninterviews bildet die Grundlage für JOSEP CABALLERO CARCÍAs „No of spring“. Darin reflektieren u.a. Frank Frey, Jo Siska, Eric Miot und Martin Meng über berühmte Frauenfiguren der Tanzgeschichte. „No of spring“ ist im Rahmen einer Residence am K3 in Hamburg entstanden. Ende August wird es bei „Tanz im August“ in Berlin nochmals präsentiert.

Das Künstlerduo DEUFERT&PLISCHKE steckt hinter „Massacre Masqué“ und betont die Rolle des Publikums. Tanznetz.de sah sich bei der IMPULSE-Biennale das „Sacre“-Reenactment an.

Ballettdirektor GONZALO GALGUERA entwickelt mit den Tänzerinnen und Tänzern des THEATERS MAGDEBURG erstmals seit 20 Jahren wieder eine „Sacre“-Choreografie für das Ballett Magdeburg. Start ist am 12. April 2014.

Die Kompanie Konstantin Tsakalidis tanzt „Sacre“ zu einer Perkussion von Patrick Manzecchi, die Strawinskys Originalmusik vorangestellt ist. Wie die Openair-Aufführung in Konstanzer Stadtpark aussah, erfahren Sie hier.

Als Highlight des internationalen Tanzes präsentierte das THEATER BONN den finnischen Choreografen TERO SAARINEN, der in dem Solo „Hunt“ zu den tobenden Rhythmen von Strawinsky die eigenen physischen Grenzen auslotet. Einblicke finden Sie hier.

Für das Festival TANZART OSTWEST lud Tarek Assam PAUL JULIUS nach Gießen ein, der Ausschnitte aus „Sacre Du Printemps“ mit dem BALLETT DORTUMUND präsentierte. Wie Julius’ Version aussieht, zeigt das Ballett der OPER POZNAN.

MICHAEL KEEGAN-DOLANs Kompanie Fabulous Beast Dance Theatre gab in dem Wolfsburger VW-Kraftwerk im Rahmen des MOVIMENTOS-Festival ordentlich Gas, nachdem er auch im Londonder Sadlers Wells für Furore sorgte.

Die ehemalige Bausch-Tänzerin MERYL TANKARD feierte im Februar mit ihrem Solo „The Oracle“ für Paul White Premiere. Zu sehen in Deutschland: 14 bis 17. November, Tanzhaus Düsseldorf.

Die Potsdamer Tanztage trumpften mit ROGER BERNAT aus Barcelona auf. In der interaktiven Choreografie durften die Zuschauer mit Kopfhörern ausgestattet die epochale Choreografie von Pina Bausch wiederauferstehen lassen.

Sehr intensiv schienen sich französische Künstler mit der Sacre-Thematik befasst zu haben: LAURENET CHÉTOUANE verzichtet in seiner Inszenierung auf die explizite Darstellung der Opfergeschichte. Tanznetz.de berichtete von seinem Hamburger Gastspiel. Lesen Sie den Bericht hier.

Und was treiben CHÉTOUANEs Landsmänner und -frauen? Die Choreografin GINETTE LAURIN kam mit dem BALLET DE LORRAINE NANCY im Februar 2013 nach Deutschland, war u.a. im Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen und bei den Internationalen Tanzwochen nach Neuss.

Der Ivorer GEORGES MOMBOYE ließ seinen „Le Sacre du Printemps“ am Opéra Théâtre de Saint-Etienne aufführen. Wie die 14 Tänzer aus Momboyes Truppe den „Sacre“ interpretieren, darf man auf ARTE bewundern.

XAVIER LE ROY wird am 15. September an der Alten Oper in Frankfurt seine berühmte Sacre-Performance erklingen lassen, indem Le Roy tänzerisch die Dirigirbewegungen von Sir Simon Rattle umsetzt.

DAVID WAMPACH dagegen inszeniert in einem Duo den Rhythmus des Lebens, nämlich den Atem. Zu sehen wieder am 30. September und 1. November, Künstlerhaus Mousonturm, Frankfurt sowie am 5. November, euro-scene Leipzig.

“Jeder Choreograf trägt einen Sacre in sich“, erklärt JEAN-CLAUDE GALLOTTA hier. Seine 2011 entstandene Version ist nach der Asientour im Februar 2014 wieder in Frankreich zu bewundern.

Ein Blick in Deutschlands südliche Nachbarländer verrät: „Sacre“ hat auch hier Hochkonjunktur. Das OPERNHAUS ZÜRICH präsentiert im Mai 2014 einen Doppelabend mit „Les Noces“ von Didy Veldman und ANDONIS FONIADAKIS „Le Sacre“, das im Februar diesen Jahres bereits für das BALLET DU GRAND THÉÂTRE DE GENÈVE auf dessen 22 Ensemblemitglieder erweitert worden war.

Choreograf JAMES WILTON huldigt gemeinsam mit der OPER GRAZ den Geburtstag von „Le Sacre du Printemps“. Der Ballettabend zeigt auch Choreografien von Darrel Toulon und Vasco Wellenkamp.

In „DeSacre!“ verschränkt die Choreografin CHRISTINE GAIGG gemeinsam mit 2ND NATURE den jüngsten Pussy Riot-Kunstskandal vom Februar 2012 mit Szenen aus „Le Sacre du Printemps“. Tanzentz.de berichtete über die Uraufführung, die im April am Tanzquartier Wien zu sehen war. Den Link dazu finden Sie hier.

Ebenfalls in Wien zu Gast war AKRAM KHAN, der mit „iTMOi“ (in the mind of igor) sein neuestes Werk beim Festival IMPULSTANZ präsentierte. Tanznetz.de berichtete.

Weitere bemerkenswerte Neuinterpretationen des Nijinsky-Strawinsky-Klassikers: EDWARD CLUG, Direktor des Maribor Balletts, feierte im April vergangenen Jahres 100 Jahre „Sacre“. Er lässt die Tänzer des Maribor Balletts durchs Wasser schlittern.

Das POLNISCHE NATIONALBALLETT trumpfte mit drei Assen auf: Neben der „Original“-Fassung zeigten sie auch die des Israeli EMANUEL GAT und des „Meisters“ Maurice Béjart.

Dass „Le Sacre du Printemps“ auch Kindern und Jugendlichen vermittelbar ist, bezeugte einst der britische Choreograf und Tanzpädagoge Royston Maldoom zusammen mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Simon Rattle. Nun haben sich auch in Dänemark große Kulturinstitutionen zusammengetan. 12 Tänzer vom DANSK DANSETEATER, in Kooperation mit dem Sjællands Symfoniorkester, die Copenhagen Phil, Dansehallerne / Østre Gasværk, und nicht zuletzt 200 Kinder geben hier eine Kostprobe.

Der Beitrag von Het Nationale Ballet zum Holland Festival fiel ausgesprochen kreativ aus. Choreograf DAVID DAWSON schuf in Kollaboration mit dem polnischen Komponisten Szymon Brzóska eine Overtüre, die sie Strawinskys Komposition voranstellten. SHEN WEI komplementierte den „Sacre“-Abend.

Die unvergessliche Videoinstalltion „The Rite of Spring“ der Medienkünstlerin Katarzyna Kozyra war leider nicht Teil der gesamten mehrtätigen „Sacre“-Veranstaltung, die im music and performing arts centre Concertgebouw in Brügge stattfinden sollte. Sie wurde aufgrund technischer Probleme abgesagt. Wir zeigen sie trotzdem.

Einen Kurztrip wäre es wert: Das ROYAL BALLET zeigt vom 9. bis 23. November „The Rite of Spring“ von KENNETH MXMILLAN. Monica Manson, die damals die Auserwählte tanzte, spricht in dem Video über die britische Inszenierung.

Blicken wir über den Ozean:
Die Kompanie von MARIE CHOUINARD war selbstverständlich mit ihrem Klassiker von 1993 auf Tour. Hörner und Krallen gibt es leider in diesem Jahr nur im August in Mexiko zu sehen.

Die volle Dröhnung nur für echte „Sacre“-Fanatiker. Nach vier Jahren Vorbereitung celebriert Caroline Performing Arts die Reihe „The Rite of Spring at 100“ und hat eigens eine Homepage dafür geschaffen: www.theriteofspringat100.org: Zu Gast war auch die Martha Graham Company, die die Fassung ihrer Namenspatronin performte. Auf youtube befinden sich drei Ausschnitte des hochkarätig besetzen Symposiums „Reflextions on the Rite“ dieser Reihe. Hier geht’s zu Part 2 und Part 3.

Fällt Ihnen noch ein Veranstaltungshinweis ein? Dann schreiben Sie uns einfach info@tanznetz.de

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