La Bayadère
Rudolf Nurejews Klassiker in der Opéra Bastille
Rudolf Nurejews „La Bayadère“ an der Pariser Oper, mit den Mariinsky Solisten Kristina Shapran und Kimin Kim in den Hauptrollen
Rudolf Nurejews letztes Ballett, das er 1992 wenige Monate vor seinem Tod an der Pariser Oper inszenierte, ist zweifelsohne sein gelungenstes Werk für die Kompanie, aber ironischerweise auch das, an dem der Russe am wenigsten eigene Hand angelegt hat (siehe auch www.tanznetz.de/blog/22447/von-papageien-und-elefanten). Nurejew übernahm im Wesentlichen die von Wladimir Ponomarew und Wachtang Tschabukiani bearbeitete Fassung von Marius Petipas 1877 uraufgeführter „Bayadère“, in der er 1959 selbst aufgetreten war.
Die Produktion zeichnet sich durch die stimmige Komposition der Soli, Pas de deux und Gruppentänze aus, die dem Zuschauer trotz der dreistündigen Dauer des Werkes nie zuviel werden – wenngleich man die Choreografie des Tanzes der wild scharrenden und sich marternden Fakire überdenken könnte. Zudem schufen die Italiener Ezio Frigerio (Bühnenbild) und Franca Squarciapino (Kostüme) eine besonders geschmackvolle Ausstattung. Hier passt der Prunk perfekt zum Rahmen und der Geschichte, und es scheint nur angemessen, dass die Tempeltänzerin Nikiya allein im ersten Akt in drei exotisch schillernden Kostümen auftritt und der Krieger Solor auf dem Rücken eines stattlichen Elefanten auf Rädern in den Palast des Radschas reitet.
Es ist nur folgerichtig, ein Paar aus der Kompanie einzuladen, in der das Ballett uraufgeführt wurde und der Nurejew entstammte, dem heutigen Mariinsky-Ballett. Obgleich beide im Waganowa-Stil ausgebildet sind – Shapran in Sankt Petersburg, Kim in seinem Geburtsland Korea – machten sich einige Differenzen in Stil und Persönlichkeit bemerkbar. Kristina Shapran beeindruckte durch ihre grazile Linie, expressive Arme und hohe Beine – Markenzeichen der Mariinsky-Ballerinen, die die geringfügigen technischen Unsicherheiten im dritten Akt vergessen machten. Sie gab eine sehr innige Bayadère, die ganz in ihrer Liebe zu Solor aufging, und ihre eloquenten Ports de bras hatten eine deutliche indische Note. Kimin Kim, ein kühler Solor voller Autorität, tanzte durchgehend auf dem allerhöchsten Niveau. Die Höhe seiner Sprünge und Geschwindigkeit seiner lupenreinen Pirouetten war atemberaubend, und er fügte nicht nur doppelte Double Tours en l’air in seine Variationen ein, sondern verblüffte das Publikum mit einer Diagonale, in der er wie ein schnurgerade abgeschossener Pfeil in mehreren Grand Jetés über die Bühne schnellte und dabei den Boden jeweils nur so kurz berührte, dass das Auge es kaum wahrnehmen konnte.
Zwischen den beiden Gästen behauptete sich Heloïse Bourdon als verwöhnte, manchmal tückische Gamzatti mit kurzen Anwandlungen von Menschlichkeit, die im Grand Pas des zweiten Aktes technische Souveränität bewies. Allerdings fehlt ihr noch etwas von dem ‚éclat’, durch den beispielsweise Dorothée Gilbert vor einigen Jahren die Rolle prägte. Unter den weiteren Solisten überzeugte Hannah O’Neill als charismatischer erster Schatten, Charline Giezendanner im reizvollen „Manou“-Tanz und Sabrina Mallem und Fabien Révillon in der dynamischen „danse indienne“. Durch besondere Virtuosität glänzte der sprunggewaltige François Alu in der höchst präzisen Variation des goldenen Idols.
Das Corps de Ballet musste sich keineswegs vor dem eigens angereisten Mariinsky-Direktor Yuri Fateyev schämen angesichts der Synchronität und Symmetrie im Schattenakt. Ludwig Minkus’ sehr tanzbare Partitur wurde einwandfrei dirigiert von Fayçal Karoui.
Besuchte Vorstellung: 18.12.15
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